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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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suchend seine Hand über einige Albarellos gleiten, wahrscheinlich hoffte er auch heute darauf, dass seine Kundin ihm sagen würde, was er ihr verkaufen sollte. Doch diesmal schwieg die Kruse und schaute nur Mitleid heischend zur Decke. Rapp nutzte die Gelegenheit und trat nahe an den falschen Apotheker heran. »Ich hatte auch einmal eine Kundin, die unter Wallungen litt«, sagte er so leise, dass die Witwe ihn nicht hören konnte, »sie sind eine Begleiterscheinung des Klimakteriums, jenes Zeitraums, in dem die Monatsblutung nur noch unregelmäßig auftritt. Ich habe der Kundin seinerzeit Mönchspfeffer empfohlen. Der Vitex ist ein Eisenkrautgewächs aus südlichen Ländern mit kleinen gelben oder violetten Blüten, deren Stoffe hohe Heilkraft aufweisen. Vitex wirkt ausgleichend auf die Säfte und Körperfunktionen des Weibes und unterbindet aufsteigende Hitze.«
    »Hm, hm.« Wenn der Imitator beeindruckt war, so zeigte er es jedenfalls nicht.
    »Mönchspfeffer sollte jedoch nur in Form von kleinen, leicht schluckbaren Pillen aufgenommen werden, da er, wie der Name schon sagt, recht scharf auf der Zunge sein kann.« Rapp wies auf das Standgefäß, in dem die Droge sich befand. »Wie ich sehe, vertraut auch Ihr auf die eukrasierende Wirkung des Vitex.«
    »Natürlich.« Der Imitator nahm das Gefäß und gab es Rapp in die Hand. »Da du dich recht ordentlich auszukennen scheinst, magst du die Kundin auch bedienen.«
    Rapp ließ sich das nicht zweimal sagen. Er verkaufte der Kruse die Portion, die er ihr immer verkaufte, nannte ihr die Dosis, die er ihr immer nannte, und kassierte, was er immer kassierte. Fast hätte er sich dabei auch nach ihrer Reizblase und den vielen anderen Leiden erkundigt, hielt sich aber gerade noch zurück. Schließlich konnte er nichts von ihren Beschwerden wissen.
    Als er ihr den entsprechenden Geldbetrag abgenommen hatte und die Kruse das ersehnte Medikament in den Händen hielt, schien sie das erste Mal in der Lage zu sein, nicht an ihren jammervollen Zustand zu denken, und sie fragte ihn: »Wer-seid-Ihr-ich-habe-Euch-noch-nie-hier-gesehen-noch-nie-hier-ge-sehen?«
    »Nun ...« Rapp zögerte, was sollte er der Frau antworten? Doch in sein Zögern hinein sagte der Imitator: »Das ist Molinus Hauser, er wird mir ab heute zur Hand gehen.« »Was-na-das-wurde-aber-auch-Zeit-ist-ja-schon-eine-Ewig-keit-her-dass-Witteke-weg-ist-eine-Ewigkeit!« Der Imitator erwiderte nichts darauf. Stattdessen nahm er noch einmal die Gorgonie auf und betrachtete sie. Ihre Schönheit
    schien ihn alles vergessen zu lassen.
    »Ja«, antwortete Rapp für ihn, »das stimmt.«
    Er brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass er jetzt
    Gehilfe in seiner eigenen Apotheke war.

 
    Kapitel acht,
    in welchem Teo zweimal mit verstellter Schrift schreibt, einmal, um anderen, und einmal, um sich selbst zu helfen.
     
    R app hätte es nie für möglich gehalten, aber es machte ihm kaum etwas aus, in die Gehilfenrolle zu schlüpfen, vielleicht, weil seine neue Tätigkeit sich in nichts von der alten unterschied. Er kam vormittags um elf Uhr, betrat die Offizin nach dem Imitator und nahm seine Arbeit auf. Dabei bemühte er sich um ein freundliches, zurückhaltendes Wesen, bediente die Kunden, drehte Pillen, hackte Kräuter, stellte Salben und Klistiere her, wog Arzneien ab und tat über alledem so, als bemerke er zu keiner Zeit, wie wenig Ahnung der Imitator von der Pharmazie hatte. Alles war genauso wie immer. Nur sein Thesaurus fehlte ihm.
    Rapp hatte sich in den ersten Tagen immer wieder dabei ertappt, wie er an die Decke starrte, gerade so, als könne er durch sie hindurchschauen und einen Blick auf seine Kostbarkeiten erhaschen. Doch das war natürlich lächerlich, und er war froh gewesen, dass sein törichtes Verhalten dem Imitator verborgen blieb. Er hatte sich den Kopf nach einem plausiblen Grund zerbrochen, der einen Gang in den zweiten Stock notwendig gemacht hätte, hatte sich das Hirn zermartert, warum er den Scharlatan begleiten könnte, wenn dieser hinaufstieg, um die nächtliche Diebesausbeute der Halunken zu kontrollieren, allein, ihm war nichts eingefallen. Auch die wenigen Male, die der Imitator im hinteren Bereich des Hauses verschwand, um seine Notdurft zu verrichten, reichten zeitlich nicht aus, um hinaufzuspringen und sich umzusehen. Ansonsten war der Mann ständig präsent, und das seit gut einer Woche, denn heute schrieb man bereits Freitag, den sechsten November. Eine gewisse Routine hatte sich

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