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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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da unter den vielen Stoffen immer einige waren, die sich in ihrer Wirkkraft aufhoben. Auch für Mines entzündete Lider hatte er ein einfaches Augenwasser gemischt, welches sofort Linderung gebracht hatte. Im Übrigen stand er mit seiner Meinung nicht allein da, denn schon bei Paracelsus war nachzulesen: Je länger Geschrift, je kleiner der Verstand, je länger die Rezepten, je weniger Tugend.
    »Un denn sull dat Rezept in dat Book rin, hett de Dokter seggt.«
    »Du meinst in das Antidotarium?« »Jo, dat hett he seggt.«
    »Ah-hm«, machte Rapp. Was der alte Arzt da wünschte, war ungewöhnlich, denn gemeinhin galt: Ob Mediziner oder Apotheker, das eigene Rezept wurde auch mit eigener Hand in das Buch geschrieben, anderenfalls drohten Übertragungsfehler, die fatale Folgen haben konnten. Aber es war nicht das erste Mal, dass Langbehn um diesen Gefallen nachsuchte, und Rapp hatte bisher immer ein Auge zugedrückt. »Nun gut, ich schreibe das Rezept ins Antidotarium, die Herstellung der Arznei dauert ohnehin etwas länger. Brauchst du sie heute noch?«
    »Do hett de Dokter nix von seggt.«
    Rapp schlug eine neue Seite auf und tauchte die Feder ins Tintenfass.
    »Dor oben, links, wat is dat för'n Kringel?« Fiete, auf den Zehenspitzen stehend, wies mit seinem schmutzigen Finger auf einen Punkt des Rezepts.
    Rapp hielt inne. Fiete war zwar ein lebhafter Junge, aber auch schlichten Geistes, weshalb er immer wieder dieselbe Frage stellte. Rapp wollte sie schon übergehen, da fiel ihm auf, dass der Imitator im Hintergrund stand und ihn beobachtete. Er beschloss, zu antworten. Mochte der Scharlatan getrost einen Nutzen daraus ziehen. »Da stehen zwei Buchstaben, Rp. Sie sind eine Abbreviatur, also eine Abkürzung für das Wort >Rezept<.«
    »Jo, sowat ok!« Auch das sagte Fiete jedes Mal. Rapp fuhr fort: »Die Anweisung des Arztes beginnt stets mit einem Imperativ, also mit einem Befehl, in diesem Fall mit dem lateinischen Wort recipe, welches >nimm< bedeutet und der Ursprung unseres deutschen Wortes >Rezept< ist.« »Jo, sowat ok!«
    »Es gibt auch noch andere Befehlswörter, zum Beispiel misce, was >mische< heißt, und da, welches für >gib< steht. Manche der älteren Ärzte setzen noch ein /.;". unter ihr Rezept. /. j. heißt Jesujuvante, >mit Jesu Hilfe< also.«
    Rapp begann zu schreiben, setzte aber sofort wieder ab. Gerade noch rechtzeitig war ihm eingefallen, dass er die Anweisung nicht in seiner eigenen Schrift übertragen durfte. Die Gefahr war viel zu groß, dass der Imitator irgendwann einmal im Antidotarium blätterte und dabei eine Übereinstimmung mit älteren Eintragungen feststellte. Daraus zu schließen, dass Molinus Hauser in Wahrheit Teodorus Rapp war, würde dann nur noch ein kleiner Schritt sein.
    Rapp bemühte sich also, anders und linkischer zu schreiben, was nicht ganz einfach war, zumal Fiete während der ganzen Zeit ungeduldig auf einem Bein hüpfte. Endlich war Rapp fertig und gab dem Steppke den Rezeptzettel zurück. Fiete brüllte: »Danke, ik kumm morgen wedder, Herr Afteker!«
    »Ja, tu das«, erwiderte Rapp. »Und bitte den Herrn Doktor, er möge bald einmal selbst vorbeikommen. Er muss sein Rezept im Buch unterschreiben.«
    Der Imitator hatte sich unterdessen, wie so oft, nicht vom Fleck gerührt und nur auf die Straße gestarrt. Jetzt allerdings kam Bewegung in ihn, ein menschliches Regen schien ihn zu plagen, denn er steuerte direkt den Durchgang nach hinten an. Vorher jedoch, und das war neu, zog er hastig den weinroten Rock aus und hängte ihn an einen Nagel. Er schien große Dinge vorzuhaben. Rapp grinste freudlos. Wenn es nach mir ginge, dachte er, mag der Scharlatan sich getrost totscheißen, ich würde ihm keine Träne nachweinen. Doch dann schalt er sich ob seiner Rachegelüste, und eine Idee kam ihm so plötzlich, dass es ihn förmlich durchzuckte. Der Rock! Sein Rock! Da hing er, verwaist für einen Augenblick!
    Mit drei großen Schritten stürzte er hin und fuhr mit den Händen in die Taschen. Gebe Gott, dass er ein Utensil fand, das den Schein-Apotheker entlarvte! Was war das? Das große Taschentuch des Scharlatans. Rapp kannte es schon, trotzdem untersuchte er es eingehend, denn es konnte ja sein, dass Initialen hineingestickt waren. Nein, das war nicht der Fall. Die Suche ging weiter. Als Nächstes förderte Rapp eine Uhr zu Tage. Es war seine eigene, sie zeigte wenige Minuten vor drei. Da er sehr an ihr hing, steckte er sie nur widerstrebend zurück. Es folgten einige

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