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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Silbermünzen. Rapp wusste nicht mehr, wie viele er an dem Abend des Überfalls bei sich gehabt hatte, und konnte demzufolge auch nicht feststellen, ob es weniger geworden waren. Nun, es war ihm ohnehin egal. Er fischte weiter in den Taschen und fand seine Identitätskarte. Auch sie wanderte wieder zurück. Was gab es noch? Zwei Fläschchen der Rapp'schen Beruhigungstropfen, ein Pillendöschen und ein paar andere belanglose Dinge.
    Er konzentrierte sich. Was hatte er außerdem in seinen Taschen gehabt? Richtig, die Pfeife des italienischen Musikers. Wie war noch sein Name? Agosta, genau. Giovanni Agosta. Aber wo steckte das Rauchinstrument?
    Rapp überzeugte sich, dass der Imitator noch immer nicht im Anmarsch war, und durchsuchte erneut sämtliche Taschen. Er fand nichts. Der Tobackkocher war verschwunden. Was hatte das zu bedeuten? Rapp kam ins Grübeln. Am wahrscheinlichsten war wohl, dass der Scharlatan die Pfeife fortgeworfen hatte. Doch wohin? Nun, das buchstäblich Nächstliegende war das Nikolaifleet gegenüber. Andererseits war dort die Gefahr groß, beobachtet zu werden, denn entlang des Wassers gab es zahllose Abtritte, und trotz des Verbots durch den Rat erleichterten sich darauf jeden Tag Hunderte von Menschen.
    Eine unwahrscheinliche, aber nicht gänzlich auszuschließende Möglichkeit war auch, dass der Imitator die Pfeife an Agosta zurückgegeben hatte. In diesem Fall hätte er wissen müssen, dass Agosta das Rauchinstrument gehörte, was wiederum voraussetzte, dass beide sich kannten.
    Rapp schaute sich um. Der Imitator war noch nicht in Sicht. Offenbar hielt er eine längere Sitzung ab. Dennoch ging Rapp vorsichtshalber zurück zum Pult mit dem Antidotarium. Er schlug das Buch zu, brachte Ordnung in das Schreibzeug und spann seine Gedanken fort.
    Angenommen, der Scharlatan kannte Agosta, dann ergaben sich zwei weitere Denkpfade: Entweder er hatte die Pfeife, als Rapp auftretend, zurückgegeben - beispielsweise anlässlich eines Konzerts -, oder er hatte es unter seiner wahren Identität getan. Letzteres jedoch wäre ihm nicht möglich gewesen, ohne zu erklären, wie er an das Rauchinstrument gekommen war. Es sei denn, der Italiener wusste es ohnehin. Das jedoch ließ nur einen Schluss zu: Giovanni Agosta steckte mit dem Imitator unter einer Decke!
    Als Rapp so weit gekommen war, brach er ab. Zu hergeholt erschienen ihm seine Gedanken, zu konfus. Maß er nicht einer simplen Pfeife viel zu große Bedeutung bei? Seine Frage blieb unbeantwortet, denn aufblickend wurde er gewahr, dass der Imitator vor ihm stand und bereits seinen Gehrock wieder trug. Er zog die Uhr und sagte zu Rapp: »Es ist schon nach drei, Hauser. Mach Schluss für heute, damit ich absperren kann.«
    »Jawohl, Herr Apotheker«, sagte Rapp.
    Er ging und fragte sich, ob alles, was er überlegt hatte, wirklich nur Hirngespinste waren. Und ob er nicht besser daran getan hätte, nach oben zu laufen und die Reste seines Thesaurus zu sichten.
    Geraume Zeit später, nach einer Zwischenmahlzeit bei Mine, war Rapp noch einmal unterwegs. Er hatte beschlossen, endlich sein Versprechen wahr zu machen und Doktor de Castro die Krücke zurückzubringen. Es war ein milder Spätnachmittag, an dem sogar die Sonne noch einmal durch die Wolken gekommen war und mit ihren letzten Strahlen die Dächer in goldenes Licht tauchte. Rapp hatte keine Mühe, sein Ziel zu finden, zumal die Mesuse, eine kleine Kapsel, die in Augenhöhe am Türpfosten angebracht war, ihm signalisierte, dass er vor einem jüdischen Haus stand. Er betätigte den Türklopfer und stellte sich auf einen knappen Wortwechsel ein, denn er hatte keineswegs vor, den Physikus lange aufzuhalten. Er wollte nur noch einmal Dank sagen und dann wieder gehen.
    Nichts rührte sich. Rapp klopfte erneut. Sollte der Doktor noch unterwegs sein? Mit dieser Möglichkeit hatte er nicht gerechnet. Sein Blick wanderte über die Vorderfront des Hauses, und erst jetzt fiel ihm auf, dass alle Fenster dunkel waren. Rapp schulterte die Krücke. Bevor er unverrichteter Dinge abzog, wollte er noch einmal nach hinten schauen. Er zwängte sich durch einen schmalen Pfad zwischen Hauswand und einem angrenzenden Schuppen und gelangte auf eine Art Hof. Er sah, dass ein hölzerner Anbau das Gebäude nach hinten erweiterte, und trat lautlos näher. Der Anbau hatte ein Fenster, und das Fenster war erleuchtet.
    Rapp spähte ins Innere. Dort befand sich ein Mann, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, da er sich beide Hände

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