Tod im Apotherkerhaus
tot, mausetot, sie lagen in einem See aus Blut und alle meine Bemühungen, ihnen ein Lebenszeichen zu entlocken, schlugen fehl.« Statt einer Antwort schenkte de Castro noch einmal die Gläser voll. »Nun gut, Ihr wart dabei, ich nicht. Vielleicht gibt es Gesichtspunkte, die wir in unserer kleinen Analyse nicht berücksichtigt haben. In jedem Fall biete ich Euch meine Hilfe an. Ich werde mich ein wenig umhören unten am Hafen, ich habe dort, seit ich während der Pest als Armenarzt arbeitete, einige Verbindungen, auch kenne ich den Wirt vom Hammerhai flüchtig. Ein zwielichtiger Bursche, den ich vor zwei Jahren einmal behandelte. Er hat Wasser in den Beinen, kein Wunder bei seiner Lebensweise und seiner Fettsucht. Wir werden sehen. Lechdim, Herr Apotheker, möge der Allmächtige, Er sei gepriesen, Euch einen Schutzengel schicken. Ihr werdet ihn brauchen.« »Lechdim«, antwortete Rapp. »Ich danke Euch sehr.«
Wenig später ging er.
»Nein, Mine, heute Abend bleibe ich bei dir. Es ist schon bald zehn, ein Gang zum Anker-Speicher lohnt nicht mehr. Ich werde mich damit abfinden müssen, dass die Halunken einen weiteren Teil meines Thesaurus gestohlen haben.« Mine freute sich. »Nimm noch'n bisschen Schweinebacke, und dann erzählst du deinen Tag.«
Rapp hatte zwar das Gefühl, sein Magen sei bereits bis zum Bersten gefüllt, doch er ließ sich noch einmal auftun. Es machte Mine viel zu viel Freude, ihn zu bekochen, da konnte er schlecht nein sagen. Jedenfalls nicht immer. Er schnitt sich ein Stück Fleisch ab und erzählte von de Castro, der ihm so selbstverständlich seine Hilfe angeboten hatte.
»Er hat dir schon mal geholfen mit deinen Zehen«, meinte sie. »Ja, er ist ein bemerkenswerter Mann. Sag mal, würdest du mich steinigen, wenn ich diesen Teller nicht ganz schaffe? Das Schweinerne schmeckt doch auch morgen noch.« Mine ließ sich erweichen. Sie selbst hatte längst ihr Mahl beendet. Seitdem hatte sie Rapp beim Essen zugeschaut und sich über seinen Appetit gefreut. »Ist gut.« Sie räumte ab. »Fixfööt war bis vorhin hier. Dann ist er weg. Bist ja so spät gekommen.« Ein leiser Vorwurf lag in ihrer Stimme, doch Rapp achtete nicht darauf. Es war ein langer, ereignisreicher Tag gewesen, und der Körper forderte nun sein Recht. Rapp wurde schläfrig. Er griff zur Bierkanne und spülte die letzten Bissen hinunter. Dann nickte er ein. Die Bilder der letzten Stunden tauchten vor seinem geistigen Auge auf, optische Fragmente, Wortfetzen, Situationen, die Analyse beim Physikus, das Rezept für Doktor Langbehn, Fiete, der Imitator, das Antidotarium, die Eintragung des Rezepts, seine verstellte Schrift - das alles wirbelte durcheinander, doch das Bild von der verfälschten Schrift tauchte immer wieder auf. Er wusste nicht, warum, fragte sich, was das solle, und dann, dann kam wie von selbst die Antwort aus der Tiefe seines Hirns ... Rapp wurde ruckartig wach. Er wusste nicht, wie lange er geschlummert hatte, aber es konnten nur Minuten gewesen sein, denn Mine trocknete gerade die Teller ab. »Mine!«, rief er aufgeregt, »Mine!« Sie fuhr herum, eine Hand auf den Busen gepresst. »Mann in de Tünn, hast du mich erschreckt! Was schreist du denn so?« »Verzeihung, ich ... sag, hast du Feder und Papier im Haus?« »Ja, hab ich. Aber die Feder ist oll, und Papier hab ich nur einen Bogen. oder zwei. Ich schreib ja nicht gut. Warum?« »Ich werde einen Brief aufsetzen, Mine. Einen Brief in verstellter Schrift. An den Befehlshaber der Nachtwache. Und dadurch werde ich meinen Thesaurus zurückbekommen!« »Da brat mir einer 'nen Storch. Jetzt willst du Briefe schreiben?«
»Hast du nicht gehört? Ich werde, so Gott will, dadurch meinen Thesaurus zurückbekommen!«
»Ja, dann.« Mine schien ihn noch immer nicht ganz ernst zu nehmen, holte aber das Schreibzeug hervor. »Ist leider nur ein halber Bogen«, sagte sie, »was soll denn drinstehen in dem Brief?«
»Das wirst du dann sehen. Lass mich nur machen.« Rapp schaffte mit Feuereifer Platz auf dem großen Nähtisch. »Und damit willst du deine Sammlung wiederkriegen? Versteh ich nicht.«
»Wart's nur ab.« Rapp hatte sich hingesetzt und war schon dabei, die eingetrocknete Feder gängig zu machen. Er tat es, indem er sie zwischen die Lippen schob und mit Speichel befeuchtete. »Wenn der Brief fertig ist, lese ich ihn dir vor.« Dann begann er, einen absichtlich wenig geschickt formulierten Text zu schreiben:
Dem Führer der Wache zu Händen.
Es ist das lste
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