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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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geheimnisvolle Miene auf und holte das Döschen hervor. »Damit kannst du tolle Sachen zaubern. Was kriege ich, wenn ich es dir schenke?« Der Kleine, der noch nicht ganz glauben konnte, ungeschoren davonzukommen, schwieg. Doch dann regte sich bei ihm die Neugier. »Zauberpulver?«
    »Ja. Weißt du, was passiert, wenn ich ein wenig davon in dein Pipi werfe?« »Nö.«
    »Dann pass einmal auf. Abrakadabra, dreimal schwarzer Kater ... « Rapp streute eine Prise in den Kessel, schwenkte ihn ein wenig, »erst gelb ich schau, doch gleich wird's ...« Und tatsächlich verfärbte sich die Flüssigkeit ins Blau. Michel bekam Kulleraugen, und allen anderen Kindern erging es ebenso. »Oooooh!« »Kiek di dat an!« »Dat gifft dat nich!«
    Michel, der schon lange nicht mehr festgehalten werden musste, krähte: »Mook dat nochmol, Teo!«
    »Ja, aber erst mal kippst du den Kessel im Klosettschuppen aus, und wenn du schon da bist, bringst du von dort einen Eimer mit, aber einen sauberen!« »Jo, Teo!«
    Michel lief wie ein geölter Blitz los und war im Handumdrehen wieder zurück.
    »Und nun gibst du deinen Spielkameraden den Kessel wieder und machst Pipi in den Eimer.«
    Unter dem Beifall sämtlicher Kinder wiederholte Rapp den Zaubertrick. Dann ließ er das Döschen mit dem Lackmuspulver in seiner Tasche verschwinden. »Du wolltest das Zauberpulver ja nicht.«
    »Doch, Teo, doch!« Verlangend streckte Michel seine dünnen Ärmchen aus.
    Rapp schien den Kleinen nicht zu hören, denn er fuhr fort: »Wenn du das Pulver hättest, könntest du die Kinder von den Nachbarhöfen ganz schön neidisch machen. Bauklötze würden die staunen, und du könntest bestimmt so manche Wette gewinnen, denn niemand wird dir glauben, dass gelbes Pipi sich mit dem Pulver blau färbt.« »Teo, Mann, Teo, woll will ik dat!«
    »Ach, du willst es doch? Nun, das muss ich mir erst noch einmal überlegen.« Rapp schien schwer mit sich zu kämpfen, ängstlich beobachtet von dem kleinen Pinkler. Dann sagte er: »Meinetwegen, ich schenke dir das Zauberpulver, aber nur unter einer Bedingung: Du darfst nie wieder in den Kessel machen, nie wieder! Versprichst du das?« »Jo, Teo, jo!« »Heiliges Ehrenwort?« »Jo,jo!«
    »Na gut, ich glaube dir. Hier, nimm.«
    Michel packte das Döschen, ließ es flink in seiner Büx verschwinden und schoss davon wie ein Pfeil - durch den engen Gang hinüber zu den anderen Höfen.
    Die Kieselsteinwerfer begannen wieder ihr Spiel, und Opa krähte vom Misthaufen herüber: »Dat hest du goot mookt, Teo!«
    Rapp grinste. »So, heff ik dat, Opa?« »Jo, hest du. Gröt Mine scheun!«
    Mine lehnte sich über den Nähtisch und guckte in den Hof hinunter. Es war die Zeit, da Rapp nach Hause kam, und sie hatte sich angewöhnt, auf ihn zu warten. Da stand er nun, umringt von den Kindern und redete mit ihnen. Ab und zu lachte eines. Der kleine Pinkler war auch dabei. Mine verstand nicht, was da vorging, aber Michel schien irgendetwas dringend haben zu wollen, irgendetwas, das Teo in der Hand hielt. Opa kicherte hinter dem Misthaufen. Der kleine Pinkler lief zum Klosettschuppen und kam wieder zurück, einen Eimer und den Kieselsteinkessel in der Hand. Alle Köpfe beugten sich über den Eimer. Mine konnte nicht genau erkennen, was das sollte, aber Teo hielt wieder den Gegenstand in der Hand, den Michel so
    gern haben wollte. Endlich bekam er ihn und lief schnell weg. Opa rief noch etwas, und Teo antwortete. Jetzt schaute er hoch zu ihr und winkte. Sie winkte zurück, trat vom Fenster weg nahm ihre Arbeit wieder auf.
    Teo, dachte sie. Eigentlich Teodorus Rapp. Er konnte gut mit Kindern umgehen, die Gören mochten ihn. Das sah man. Ob er selbst welche hatte? Sie wusste es nicht. Sie wusste auch nicht, ob er jemals verheiratet gewesen war. Sicher, er hatte dann und wann über seine Vergangenheit gesprochen, und eine Ehefrau war dabei niemals erwähnt worden, aber daraus zu schließen, er habe nie den Hafen der Ehe angesteuert, war vielleicht voreilig. Sie selbst hatte auch niemals geheiratet. Wie hätte sie auch sollen. Sie war die Älteste von vier Geschwistern gewesen, und die Mutter war beim vierten Kind, einem Nachzügler, im Kindbett gestorben. Fortan hatte Mine die Mutterrolle übernehmen müssen. Und die der Ernährerin obendrein. Ja, sogar die Vaterrolle, denn Franz Witteke hatte es vorgezogen, nach dem Tod seiner Frau zu verschwinden. Angeblich, weil er den Kummer nicht anders ertragen konnte. Doch Mine wusste, dass der wahre Grund sein

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