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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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krankhafter Geiz gewesen war. Er hatte die Familie nicht mehr als Klotz am Bein haben wollen, hatte all sein Verdientes für sich haben wollen, hatte seine Zeit damit verbringen wollen, jeden Pfennig zehnmal umzudrehen, bis er ihn endlich ausgab.
    Erst nach der Pest, als die Geißel Gottes sich in Europa totgelaufen hatte, war er wieder in Hamburg aufgetaucht und mit der größten Selbstverständlichkeit bei ihr eingezogen. Das Schicksal seiner anderen Kinder, die sämtlich dem Schwarzen Tod zum Opfer gefallen waren, hatte ihn wenig berührt. Wichtiger war ihm, Geld zu sparen und sich bedienen zu lassen wie ein orientalischer Pascha. Morgens und abends hatte er ständig am Essen herumgenörgelt, ungeachtet dessen, dass er selbst nie einen Schilling dazu beisteuerte. »Ich habe dich groß gezogen, habe mir das Geld dafür vom Munde abgespart«, hatte er immer wieder getönt, »jetzt tu du mal was für mich.« Fast täglich hatte es Streit gegeben, bis er endlich - völlig unverhofft - eines Tages von der Arbeit nicht mehr wiedergekommen war. Wie anders dagegen Teo. Der war nicht geizig, sondern großzügig, der half, ohne dass sie etwas sagen musste, der hörte zu, wenn sie etwas erzählte. Wenn sie es recht bedachte, hatte ihr Leben sich stark verändert, seit er da war. Mehrfach am Tage fragte sie sich, wie es ihm ginge, was er gerade machte, und was er am Abend wohl gerne äße. Nachts lag sie manchmal wach und vernahm seine ruhigen Atemzüge durch die dünnen Wände. Es war schon ein seltsames Gefühl, so nahe neben einem fremden Mann zu schlafen. Allerdings, so fremd war er ihr gar nicht mehr. Oft hatte sie das Gefühl, ihn schon Jahre zu kennen. Und genauso oft musste sie daran denken, dass er über kurz oder lang wieder ausziehen würde.
    Sie war eben eine neunundzwanzigjährige Jungfer, und Jungfer würde sie auch bleiben. Die wenigen Männerbekanntschaften, die sie gehabt hatte, waren nach kurzer Zeit sang- und klanglos zu Ende gegangen. Alfred hatte der Erste gehießen. Er war ein Krahnzieher, der mit seinem zweirädrigen Karren durch die Stadt fuhr und Zuckerbroden in Fässern transportierte. Alfred litt unter ständigem Durst und damit verbundener Geldnot. Als ihr aufgegangen war, dass er ihre Schillinge mehr liebte als sie, hatte sie ihm den Laufpass gegeben.
    Der Nächste war ein Elblotse gewesen, ein gut aussehender, wettergebräunter Frauenheld namens Piet, der nicht nur verheiratet war, sondern auch in Neumühlen, Glückstadt und Cuxhaven jeweils eine Braut hatte. Vielleicht sogar mehrere. Noch am selben Tag, da sie das herausfand, hatte sie ihn zum Teufel gejagt.
    Knut war der Letzte gewesen, ein Färbergeselle. Er hatte ihr schöne Augen gemacht, war einen Monat lang um sie herumgeschwirrt wie die Motte ums Licht, und hatte sie endlich zum Tanz führen dürfen. Doch nachdem er gehört hatte, wie alt sie war - sie zählte damals schon vierundzwanzig Jahre -, hatte er sich nie wieder blicken lassen. Seltsam nur, dass er sich vorher nie an ihrem Aussehen gestört hatte, im Gegenteil, unzählige Male hatte er ihr geschworen, sie sei die hübscheste Deern von ganz Hamburg.
    Von allen ihren Bekanntschaften hatte Knut ihr am meisten weh getan, und sie hatte danach beschlossen, nie wieder mit einem Mann etwas anzufangen. Und das würde auch so bleiben. Auf der Treppe erklangen Schritte. Es klopfte. Das musste Teo sein! »Komm rein, ist offen!«, rief sie, und ihr Herz begann schneller zu schlagen. »Was war denn unten im Hof?« »Im Hof?« Rapp näherte sich schmunzelnd. »Ich habe dem kleinen Pinkler das Pinkeln abgewöhnt.« »Wie? Was hast du?« Rapp erzählte. Mine lachte.
    Rapp lachte ebenfalls. Dann, plötzlich, sprang er auf, griff ihr unter die Achseln und schwang sie ein paarmal ungestüm herum. »Ich bin so glücklich!«, jubelte er.
    Außer Atem und leicht errötet, landete Mine wieder auf den Füßen. Wie stark er war! Ganz anders, als man sich einen Pillendreher vorstellte. Sollte sein Glück etwas mit ihr zu tun haben? Nein, das war natürlich Unsinn. Die Stube drehte sich noch ein wenig vor ihren Augen. Eine Haarlocke hatte sich aus ihrer Frisur befreit. Sie steckte sie wieder an den alten Platz. »Warum bist du denn so glücklich?« Rapps Augen leuchteten. »Weil es geklappt hat!« »Was? Nun erzähl schon.«
    Und Rapp erzählte. Er tat es mit einem Feuer und einer Hingabe, wie Mine es noch nie bei ihm erlebt hatte. »Meinardus Schlich hat gesagt, dass er in den nächsten Tagen wieder in die

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