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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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er. »Ich war ein wenig überrascht, als der Büttel so plötzlich vor mir stand. Ihr habt Euch geistesgegenwärtig verhalten.«
    Rapp schwieg. Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Sollte er sagen, er habe dem Scharlatan gern geholfen? Nein, das brachte er nicht über die Lippen, nicht angesichts der kümmerlichen Reste seines Thesaurus. Immerhin, die Dankbarkeit des Imitators schien echt zu sein, und so antwortete Rapp nur: »Jawohl, Herr Apotheker.«
    In diesem Augenblick tönte es wie ein Echo unten aus der Offizin: »Herr-Apotheker-Herr-Apotheker?« Rapp sagte: »Ich glaube, eine Kundin ist im Laden, und ich ahne auch schon, wer es ist. Soll ich gehen?« »Ja, tut das. Ich räume hier weiter auf.«
    Rapp stieg die Treppe hinab und wünschte sich, dass der Imitator seine Worte wahr machen würde - statt Vorbereitungen für den nächsten Raub zu treffen. Allerdings hoffte er da wohl vergebens.
    »Aaah-Ihr-seids-Ihr-seids!«, empfing ihn Albertine Kruse in der Offizin. Sie stand vor dem Rezepturtisch und verzog heftig das Gesicht. »Die-Schmerzen-ich-sag-Euch-die-Schmer-zen ...«
    »Wo habt Ihr denn Beschwerden?«, fragte Rapp. Er wusste, dass die hypochondrische Frau in aller Regel über ihre Migräne, ihre Reizblase oder ihre Hitzewallungen klagte. Die Medikamente, die sie dagegen bekam, waren stets dieselben, Tinkturen, Pillen, Auflagen, Salben, die Rapp selbst herstellte und ihr verkaufte. Auch die Rapp'schen Beruhigungstropfen hatte sie eine Zeit lang genommen, dann aber behauptet, sie wirkten nicht mehr, und ihr Körper hätte sich daran gewöhnt - wie überhaupt an die Arzneien, die der Herr Apotheker ihr verschriebe. Rapp hatte ihr wiederholt geraten, doch einen Physikus zu konsultieren, aber sie hatte sich jedesmal geweigert. Vermutlich hatte sie Sorge, mit ihren Leiden dort nicht ernst genommen zu werden. Vielleicht wollte sie einfach auch nur das Geld sparen. »Die-Migräne-die-Migräne!« »Ja, die Migräne ist eine Geißel der Menschheit. Mit ihr ist nicht zu spaßen.« Rapp gab sich Mühe, ein ernstes Stirnrunzeln zu produzieren. Als neuer Gehilfe konnte er nicht wissen, dass die Kruse fast täglich darüber klagte, und dass kein Mensch sie mehr ernst nahm. Deshalb nannte er zunächst die Arzneien, die er ihr immer verkauft hatte, doch wie erwartet, lehnte sie alles im Bausch und Bogen ab. Das nütze sämtlich nichts, behauptete sie, das hätte ihr der Herr Apotheker schon tausendfach verkauft, und es hätte kein Jota genützt. Ob der Herr Gehilfe nicht etwas Besseres empfehlen könnte?
    Nun gut, wenn du unbedingt willst, dachte Rapp, diesmal sollst du eine besondere Beratung erfahren. Vielleicht vergehen dir die Schmerzen dann von selbst. Laut sagte er: »Habt Ihr es denn schon einmal mit einem Klistier versucht, gute Frau? Ein Klistier vermag Wunderdinge zu vollbringen, vorausgesetzt, es wird mit einer richtigen Klistierspritze gesetzt.« »Einer-richtigen-Spritze-sagt-Ihr-einer-richtigen-Spritze?« Eifrig beugte die Witwe sich vor. »Tut-die-weh?« »Nein, nicht im Mindesten, denn sie ist ja von perfekter Funktion. Die Spitze wird tief in den After eingeführt, damit der Flüssigkeitsstrahl, nun, sagen wir, sein Zielgebiet erreichen kann. Bevor die Klistierspritze erfunden wurde, wir verdanken dies übrigens dem Spanier Gatenaria, half man sich mit verschiedenen anderen Konstruktionen aus. So verwendete man beispielsweise einen Schlauch, an dem ein Schilfrohr befestigt war oder eine Kautschukflasche mit aufgesetztem Elfenbein-Röhrchen.«
    Die Augen der Kruse glitzerten. »Was-Ihr-nicht-sagt!« »Ebenso wurden Tierblasen benutzt. Findige Köpfe bauten in der Folgezeit so manche Variante, wie Klysopompe und Irrigatoren. Klistierspritzen fertigte man im Übrigen aus Schildpatt, aus Hörn, aus Perlmutt, aus Silber oder Gold. Sogar Sitzbänke, aus deren Mitte ein hohler Dorn hervorragte und auf den man sich setzen musste, erfand man.« »Gott-wie-interessant-wie-interessant!«
    »Ich muss hinzufügen, noch vor wenigen Jahrzehnten war es durchaus üblich, dass der Apotheker dem Patienten das Klistier persönlich verabreichte. Wenn Ihr also Bedarf habt, gute Frau ...«
    »Nein-das-wird-nicht-nötig-sein-nicht-nötig!« »Nun, wie Ihr wollt. Die eigentliche Wirkung der Spritze hängt natürlich von der Zusammensetzung der Arzneiflüssigkeit und von der Häufigkeit der Anwendung ab.« »Ja-ja.« Die Witwe schien nicht mehr ganz so begierig, weitere Einzelheiten zu erfahren. Rapps Angebot, ihr

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