Tod im Apotherkerhaus
uns kein Kunde in die Quere.« Er verschloss die Tür und kam sich dabei vor wie ein Verschwörer. »Hier in der Offizin warst du ja schon >als Kundin<, neulich mit Isi, aber ich sage noch ein wenig mehr zu den Gegenständen, pass auf ...«
Wie sich zeigte, dauerte das, was Rapp unter »ein wenig mehr sagen« verstand, über eine halbe Stunde, bis er sich endlich erschrocken selber bremste. »Mein Gott, Mine, ich rede und rede, und es wird schon bald dunkel! Du musst sagen, wenn ich dich langweile!«
Mine lächelte. Sie hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört, auch wenn sie dabei häufiger auf Rapp selbst und seine lebhafte, ja überschwängliche Art geachtet hatte, als auf die vielen Namen und Einzelheiten. »Tust du nicht, Teo, tust du wirklich nicht.«
»Dann ist es ja gut. Ich dachte schon ... nun, ich zünde rasch einen Leuchter an.« Er tat es und zog sie, die Lichtquelle in die Höhe haltend, in den Gang, der zum hinteren Teil des Hauses führte. »Als Erstes zeige ich dir mein Kontor, ich ...« »Moment. Was ist denn das da an der Wand?« Mine deutete auf ein kalligraphisches Schriftstück in feinem Blattgoldrahmen.
»Ach das. Das ist mein Lehr- und Gesellenbrief.« »Oh, der ist aber schön. Und so was versteckst du hier im Flur?
Was steht denn da? Ich könnt's besser lesen, wenn die Schrift nicht so schnörkelig war.« »Warte, ich lese es dir vor:
Hiermit wird bestaetiget und für richtig befunden: Teodorus Rapp, welcher am 13. Maius anno 1682 zu Mühlhausen geboren wurde, hat 6 volle Jahr lang seine Lehrzeit rühmlichst erstanden und die wohllöbliche Apothekerkunst gezimlich erlernet -und darob noch ein Vierteljahr als Gesell servirt... Auch hat er sich befleißiget, der lateinischen Sprache Kenntnisse zu erwerben.
Darunter findest du Ort, Datum, die Unterschrift und das Siegel von Curtius Rapp, meinem Adoptiwater, von dem ich schon erzählt habe.« »Und die Türme und Häuser dahinter?«
»Das ist Schmuckbeiwerk. Es stellt eine Panoramaansicht von Mühlhausen dar.« Rapp war es ein wenig unangenehm, dass so ausgiebig über sein Zeugnis geredet wurde, dies umso mehr, als er nicht wusste, ob Mine etwas Deartiges besaß. »Komm weiter. Dies ist mein Kontor.«
Mine blickte in eine kleine, lichtlose Kammer, deren Einrichtung von einem Stehpult mit zahllosen Papieren darauf bestimmt wurde.
»Hier, wo es nach Arbeit riecht, scheint der Imitator sich niemals aufzuhalten. Gleiches gilt nebenbei auch für meine Schlafkammer. Viel ist daran nicht zu sehen.«
»Hm«, machte Mine nur. Aber mit Befriedigung stellte sie fest, dass die Bettstatt schmal war und lediglich einer Decke und einem Kopfkissen Platz bot. Für die Bedürfnisse der Nacht standen ein Pisspott und für die körperliche Reinigung eine große Wasserkanne mit Schüssel zur Verfügung. »Sieh mal dort, in der Gangecke.« Rapp wies mit dem Leuchter auf einen großen Schrank mit drei Fächern. Er zog das unterste hervor und erklärte: »Hier schlief in früheren Zeiten der Lehrjunge. Du siehst, als angehender Apotheker durfte man nicht zu groß gewachsen sein.«
Nachdem er ihr die kleine Küche, den Abort und den Innenhof gezeigt hatte, letzteren nicht ohne den Hinweis, wie schade es doch sei, dort nicht einen eigenen Kräutergarten anlegen zu können, stieg er mit ihr in den ersten Stock hinauf. »Darf ich vorstellen: Mein Labor, wie du vielleicht an den Gerätschaften erkennst. Da steht die Destillieranlage mit den verschiedenen Alambics, hier meine Presse, und dahinten sind die Apparate zur Analyse durch Extraktion, Sublimation und Einäscherung. Und da links in den vielen Schubladenregalen verwahre ich weitere Arzneien auf Vorrat.«
»Junge, Junge«, Mine war schwer beeindruckt, »das sieht ja aus wie 'ne Folterkammer!«
Rapp wehrte ab. »Halb so wild. Die Schneid- und Hackmesser dienen nur der Kräuterverarbeitung. Genauso wie die Wiegemesser und die hölzernen Tabletts, in denen die Heildrogen mit Steinen zerrieben werden. Die flüssigen Arzneistoffe hebe ich, je nach Eigenart, in Flaschen, Krügen oder Kannen auf. Ganz oben unterm Dach befindet sich noch der Trockenboden für die Kräuter. Es ist der beste Ort, da er sich einerseits gut lüften lässt, andererseits von unten mit aufsteigender Wärme versorgt wird. Außerdem verwahre ich dort leere Gefäße aller Art. Doch nun habe ich dich lange genug mit meinem Apothekerkram gelangweilt.«
»Hast du nicht.« Mine sah sich noch immer staunend um. »Stimmt, es ist keine
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