Tod im Beginenhaus
Die Stadt hatte daraufhin das Kloster wehrhaft befestigen lassen. Der Angriff war ausgeblieben, und Heinrich wurde beschuldigt, das Gerücht über den bischöflichen Angriff ausgestreut zu haben, um seinem Neffen Hilger zu helfen. Hilger hatte dem König von Böhmen nämlich zugesagt, das Deutzer Kloster zu einem verteidigungsfähigen Schloss auszubauen und einen Zoll dorthin zu legen. Dies hätte Hilger zusammen mit dem Freistuhl auf dem Osterwerth nicht nur zum Freigrafen, sondern faktisch zum Obersten über die Stadt gemacht.
Und nun war Heinrich also wieder in der Stadt. Adelina seufzte innerlich. Das konnte eine erneute Fehde bedeuten. Dabei war es in der letzten Zeit endlich einmal ruhig geblieben in Köln. Sollten sich die Straßen nun wieder mit herumschweifenden Soldaten füllen, dass man sich als Frau nicht mehr allein hinauswagen konnte?
«Hängen sollte man ihn», keifte eine ältere Frau inWitwentracht, als sie sich an den Verkaufstisch vorgedrängt hatte. «Rädern und vierteilen! Habt Ihr Ringelblumensalbe da?»
«Natürlich, Frau Orthwang.» Adelina lächelte begütigend, doch die Frau achtete nicht darauf, sondern ereiferte sich immer heftiger.
«Ist doch so, wenn er jetzt wieder in der Stadt ist, heckt er bestimmt etwas aus. Und wenn es den vornehmen Geschlechtern der Stadt in den Kram passt und sie wieder einen Krieg anfangen, schickt der Rat unsere Männer und Söhne zur Verteidigung! Was kostet die Salbe?»
«Einen halben Kölner Pfennig», antwortete Adelina. Die Frau drückte ihr das Geld in die Hand und verließ schimpfend den Laden. Als sich Adelina einem nicht minder erregten Baderchirurgen zuwandte, der sein Geschäft nur eine Querstraße entfernt hatte, vernahm sie plötzlich ein lautes Poltern, dem das Klirren von zerspringendem Glas folgte. Adelina zuckte zusammen. Das war in der Küche, dachte sie. Im nächsten Moment hörte sie ein leises Jaulen, das sich zu einem lang gezogenen Heulen steigerte. Vitus!
«Entschuldigt mich bitte.» Adelina drängte sich an ihrem Vater vorbei und stürzte aus der Apotheke. Sie fand ihren Bruder auf dem Küchenboden. Er hockte zwischen dem umgekippten Regal, aus dem das Essgeschirr und mehrere Töpfe herausgekullert waren, und den Überresten der beiden großen neuen Glasphiolen, die ihr Vater, wohl in Gedanken, dort abgelegt hatte. Brüllend streckte Vitus einen Finger, aus dem ein Rinnsal Blut quoll, Adelina entgegen. Rasch zog sie ihn auf die Füße und umfasste die blutende Hand.
«Ist ja schon gut, Vitus.» Verärgert sah sie sich nacheinem sauberen Tuch um, fand keines und schob ihren Bruder aus dem Raum in ihre Kammer.
«Ich wollte sie doch heil machen!», heulte er. Dicke Tränen rannen über sein Gesicht. «Meine Hand tut so weh.»
«Ich weiß.» Endlich hatte Adelina ein Tuch gefunden und wischte das Blut vorsichtig weg. «Sieh mal, es ist ja nur ein ganz kleiner Schnitt, Vitus. Den brauchen wir nicht einmal zu verbinden.» Als sie seine Hand in das frische, eiskalte Wasser in ihrer Waschschüssel tauchte, zuckte er kurz, hielt dann aber still. «Na bitte, kein Grund zum Weinen.» Sie streichelte ihm beruhigend über die Wange. Er schluchzte noch einmal und bekam einen Schluckauf.
«Ich will aber einen Verband, weil das wehtut», klagte er, noch immer weinerlich. Adelina lächelte erleichtert, weil der Schreck überwunden schien, und holte ein Stück weißes Leinen aus der Lade unter ihrem Bett. Sie schnitt einen Streifen davon ab und wickelte ihn um den verwundeten Finger.
«Besser so?» Vitus nickte und schniefte. «Gut, dann erzähl mit jetzt, was du angestellt hast. Warum ist das Regal umgefallen?» Sie schob Vitus zurück in die Küche und besah sich das Chaos, das er angerichtet hatte.
«Ich wollt den Topf haben für Schnee zu sammeln, aber er war ganz oben, und da bin ich nicht drangekommen. Mit dem Hocker ging’s aber doch.»
«Nur, dass das Regal ganz wackelig an der Wand stand, und als du dich festgehalten hast, ist es umgefallen», ergänzte sie und fuhr sich mit den Fingern durch die Haarsträhnen, die sich aus ihren Haarbändern gelöst hatten. «Dabei ist der Schnee doch schon fast wieder weg.»
«Aber nicht am Schuppen im Garten. Da ist an der Wand noch ganz viel», widersprach Vitus und bückte sich nach dem Topf. «Darf ich jetzt raus?»
Seufzend schob Adelina die Glasscherben mit dem Fuß zur Seite. Da war ein kleines Vermögen zu Bruch gegangen.
«Zuerst hilfst du mir, das Regal wieder aufzustellen.»
«Was
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