Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
spindeldürres Mädchen an der Schulter und hielt es auf. «Warte, Kleine!» Sie schrie auf, mehr aus Schreck als aus Angst vor dem fremden Mann. Als sie Adelina neben ihm entdeckte, wurde sie gleich wieder ruhig. Burka lächelte sie freundlich an. «Was war da los in der Mühlengasse? Warum sind die Soldaten gekommen?» Das Mädchen sah sich um und erblickte die Berittenen am Hof zur Stesse. Sie zeigte mit dem Finger auf die Männer. «Sie bewachen ihn, Hilger mein ich. Jemand hat gesagt, der alte Stave ist wieder in der Stadt und ist am Hafen oder beim Alter Markt gesehen worden. Aber der Stave ist doch verbannt, und wir … die Leute wollten hin und …» Sie zuckte mit den Schultern. «Na ja, wenn sie ihn kriegen, richten sie ihn vielleicht hin, und das wollten eben alle sehen.»
    «Du auch?» Der Medicus musterte die kleine Lumpengestalt. In ihrem viel zu kurzen, rußverdreckten Kleid sah sie aus wie ein Köhlerkind; auch Gesicht und die Hände waren schwarz. Schuhe besaß sie nicht. Ihre Füße waren mit Lumpen umwickelt, die sie mit Schnüren an den Waden festgebunden hatte, und die rotblonden, zu Zöpfen geflochtenen Haare hatte sie ebenfalls mit alten Tuchfetzen umwickelt, was bei der Kälte immer noch besser war, als sie offen zu tragen.
    «Ich wollte nur sehen, ob ein paar Reiche dabei sind.Ich brauch Arbeit, und die reichen Hausfrauen haben manchmal was zu tun. Vor Weihnachten müssen viele Stuben gekehrt und Öfen und Rauchfänge geputzt werden.»
    «Und das machst du? Rauchfänge putzen?», mischte Adelina sich ein und griff in ihren Ärmel, in dessen Innentasche ihre Geldbörse steckte. Das Mädchen nickte gleichmütig. «Man muss schließlich was essen. Aber die Soldaten haben alle auseinander getrieben. Schätze, jetzt kann ich nur sehen, ob von den Zertrampelten noch einer lebt, dem ich helfen kann, bis zum nächsten Baderchirurgen zu kommen.»
    «Hier», Adelina drückte ihr einen Pfennig in die Hand. «Falls du kein Glück haben solltest.»
    Das Mädchen sah sie überrascht an und stopfte das Geldstück in ihren Ärmel.
    «Danke.» Sie blickte zwischen dem Medicus und Adelina hin und her, unsicher, ob noch etwas von ihr erwartet wurde. Dann wandte sie sich um und rannte davon.
    Burka sah ihr grinsend nach.
    «Das war unvernünftig von Euch.»
    Adelina hob erstaunt die Brauen. Sein Grinsen wurde noch breiter.
    «Die Kleine wird sich dahinten verstecken und beobachten, wohin Ihr geht. Jede Wette, dass sie morgen vor Eurer Tür steht und Euch anbettelt.»
    «Sie hatte nicht einmal Schuhe.»
    «Viele Menschen besitzen keine Schuhe, wisst Ihr.»
    Er machte sich lustig. Gereizt, weil sie das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen, wandte sie sich ab und ging zur nächsten Quergasse, die zum Alter Markt führte. Der Medicus blieb dicht an ihrer Seite.
    «Unvernünftig», wiederholte er, jetzt mit einem Lächelnin der Stimme. «Ich könnte auch sagen: großherzig.»
    «Ach ja?»
    «Das ist eine christliche Tugend.» Galant half er ihr um ein großes Schlammloch herum.
    «Gerade habt Ihr noch gesagt, ich sei unvernünftig.» Wieder wallte Ärger in ihr auf. Konnte er sie nicht in Frieden lassen?
    «Großherzigkeit ist eben manchmal unvernünftig.» Burkas Miene wurde ernst. «Ganz besonders bei Euch.»
    Schweigend gingen sie über den Marktplatz und blieben schließlich vor dem Apothekeneingang stehen. Die Tür war nur angelehnt. Drinnen standen mehrere Kunden bei Albert und gestikulierten aufgeregt. Der Magister lächelte wieder.
    «Anscheinend wartet Arbeit auf Euch.» Er wandte sich in Richtung Markt. «Ich habe noch ein paar Besuche zu machen.»
    Sie nickte und griff nach dem Türknauf.
    «Adelina? Ich finde es jedenfalls schön, dass Ihr so großherzig seid.»
    Mit weit ausholenden Schritten ging er davon. Ein Windstoß fuhr ihn von der Seite an und zerzauste seine Locken. Adelina zwang sich, ihm nicht länger nachzusehen. Sie setzte ein zuvorkommendes Lächeln auf und betrat die Apotheke. Dabei war in ihrem Inneren unvermittelt ein Sturm ausgebrochen, dem sie kaum Einhalt gebieten konnte.

8
    Die Kunden am Tresen redeten wild durcheinander. Adelina drängte sich bis zum Ladentisch vor, hinter dem Albert seelenruhig Arzneien abpackte. Dem Disput um sie herum konnte sie entnehmen, dass man tatsächlich Heinrich von Stave in der Stadt gesehen hatte. Der Rat hatte ihn im Jahr zuvor mit dem ewigen Stadtbann belegt, nachdem er behauptet hatte, Erzbischof Friedrich wolle das Deutzer Kloster angreifen.

Weitere Kostenlose Bücher