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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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die Frauenabteilung. Dorthin wollte sie. Sie schob sich durch die schmalen Gänge zwischen den Strohschütten und nickte hier und da einem bekannten Gesicht zu. Hinter dem Wandschirm verteilten zwei Pflegerinnen gerade Haferbrei an die, die nicht im Speiseraum essen konnten, weil sie zu schwach waren oder nicht laufen konnten. Adelina nahm sich eine der Holzschalen und einen Löffel und trat an das Bett eines kleinen blassen Mädchens, dem das feine blonde Haar wirr um das spitze Gesichtchen hing.
    «Vincentia, wie schön, dich zu sehen», begrüßte Adelina die Kleine, die indes nicht reagierte, sondern nur mit großen Augen ins Leere starrte. «Ich habe dir Frühstück mitgebracht. Ich hoffe, du hast Hunger.» Adelinasprach einfach weiter, obwohl sie nicht sicher war, ob das Mädchen sie überhaupt wahrnahm. «Erinnerst du dich an mich? Ich heiße Adelina.» Der leere Blick richtete sich auf die junge Frau, und plötzlich flackerte Erkennen in den Kinderaugen auf.
    «Ich kenne dich. Du hast meinen Brei mitgebracht.» Das zarte Stimmchen war kaum zu hören, und die Augen wanderten zu der Holzschüssel. Doch das Gesicht der Kleinen blieb seltsam ausdruckslos. Adelina hockte sich lächelnd auf den Rand der Strohschütte und reichte dem Mädchen den Haferbrei. Langsam und präzise begann Vincentia, sich Löffel für Löffel in den Mund zu schieben. Adelina sah ihr schweigend dabei zu. Sie fragte sich insgeheim, was mit dem Mädchen sein mochte. Vincentia war erst acht Jahre alt. Ihre Eltern hatten sie ins Hospital gebracht, weil sie das Mädchen für närrisch hielten und nicht genug Zeit und Geld hatten, sich um sie zu kümmern.
    «Guten Morgen, Adelina.» Eine schlanke Frau mittleren Alters, unter deren adretter Haube auf der Stirn nur ein schmaler Streifen goldblonden Haars hervorlugte, trat hinter den Wandschirm. Ihre lange, gerade Nase ließ sie ungemein vornehm wirken. «Die kleine Vincentia hat eine unruhige Nacht hinter sich. Dreimal ist sie schreiend aufgewacht, nicht wahr?» Das Mädchen schien sie nicht wahrzunehmen. Adelina erhob sich.
    «Ihr seid sicher wegen der Arznei-Bestellung hier?», sagte die Schwester und lächelte huldvoll. «Ich habe Euch alles aufgeschrieben. Es wäre schön, wenn Euer Vater sich damit beeilen würde. Unsere Vorräte sind schon stark zur Neige gegangen.»
    «Ich werde Euch die Arzneien gleich morgen bringen.»
    «Gut.» Irmingard nickte und reichte Adelina ein Wachstäfelchen. Dann entfernte sie sich mit einer kurzen Entschuldigung. Anscheinend hatte die Leiterin des Hospitals noch viel zu tun, denn an anderen Tagen nahm sie sich immer Zeit für einen kurzen Plausch.
    Adelina drehte sich wieder zu dem kleinen Mädchen um, nahm ihm die leere Schüssel aus den Händen und strich ihm noch einmal kurz über den Kopf. Dann ging sie weiter. An einem der Fenster saß eine junge Frau in einem für diese Umgebung ungemein vornehm wirkenden grünen Samtkleid und elegant hochgesteckten roten Locken unter einer bestickten Seidenhaube. Sie winkte Adelina fröhlich zu und entblößte dabei zwei Reihen makelloser weißer Zähne.
    «Adelina, wie schön, das Ihr heute hier seid», rief sie, und ihre Augen blitzten dabei fast übermütig. «Erzählt mir, was in der Stadt vor sich geht.»
    «Reinhild, warum seid Ihr denn nicht im Speiseraum? Seid Ihr etwa krank?» Adelina schenkte der jungen Frau ein herzliches Lächeln.
    «Nein, krank nicht, aber ich fühle mich nicht wohl. Heute Nacht ist mir im Traum wieder der Dämon erschienen, der mir mein Kindlein geraubt hat. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie sehr ich mich geängstigt habe!»
    «Das tut mir Leid. War Euer Gemahl gestern zu Besuch?»
    «Woher wisst Ihr das? Ja, er war da, und er war überaus freundlich und besorgt. Er hofft, dass es mir bald besser geht, und will es noch einmal mit einem Exorzisten versuchen. Aber das ist ja schon einmal fehlgeschlagen.» Reinhilds Stimme klang, als sei sie darüber nicht unbedingt traurig. «Aber nun erzählt endlich!»
    «Ich muss Euch enttäuschen, Reinhild. Derzeit gibt es nicht viele spannende Neuigkeiten. Die Augustiner haben angefangen, ihr Kloster umzubauen. Der Erzbischof ist in der Stadt, aber nur für wenige Tage.»
    «Ist das alles? Wie schade. Ich hatte gehofft, es gäbe ein paar erbauliche Geschichten über Hexen oder Geister.»
    «Reinhild! So solltet Ihr nicht sprechen. Wir können froh sein, dass es einmal so ruhig in der Stadt ist. Aber ich verspreche Euch, dass ich die Ohren offen

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