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Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall

Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall

Titel: Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ars vivendi verlag GmbH , Co. KG
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galt natürlich nicht ihm, sondern einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Sammlung, der gerade einen Rundgang beendet hatte. Das musste eine Familienführung gewesen sein, denn unter den rund vierzig Teilnehmern der Gruppe waren die Hälfte Kinder. Während die angeregt plappernden Besucher hinausströmten, schaute Beaufort sich um. Der Saal hatte zwei Ebenen, etwa ein Drittel der Fläche lag einen guten Meter tiefer. Die Fülle der kalkweißen Standbilder war enorm, und er erkannte etliche berühmte Plastiken wieder: die Venus von Milo etwa, die auch ohne Arme eine Schönheit war, oder den armen Laokoon, der nun schon seit über zweitausend Jahren im Todeskampf mit den Würgeschlangen lag. Beaufort hatte die Laokoongruppe im Original bereits in den Vatikanischen Museen in Rom besichtigt. Sämtliche Statuen hier waren Kopien und bestanden nicht aus Marmor, sondern aus Gips. Das tat ihrer Wirkung aber wenig Abbruch. Wieder blieb er vor dem Abguss einer berühmten Figur stehen, deren Name ihm jedoch nicht einfallen wollte. Es war ein überlebensgroßer Mann im Legionärsrock mit Brustpanzer und Schärpe um die Hüfte, der seinen Arm nach vorne ausstreckte.
    »Sie interessieren sich für Kaiser Augustus? Ein wirklich interessanter Herrscher, weshalb er auch heute noch in jedem Lateinlehrbuch abgebildet wird. Ich freue mich, Sie hier wiederzutreffen, Herr Beaufort.«
    Die tiefe, freundliche Stimme gehörte Professor Sixtus Degen, der dem unerwarteten Besucher herzlich die Hand schüttelte. Der Leiter der Antikensammlung war groß undkräftig, er trug sein langes, weißes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sein weißer Vollbart und eine imposante Nase, deren Profil man getrost als griechisch bezeichnen konnte, prägten sein Gesicht. Bekleidet war er mit Jeans und einem weit aufgeknöpften Leinenhemd. Seine nackten Füße steckten in Jesuslatschen.
    »Ich erinnere mich, dass dieser Augustus auch in meinem Geschichtsbuch abgedruckt war.«
    »Ja, diese Plastik ist zu einer Ikone geworden. Nur können die wenigsten Menschen sie heute noch lesen.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Schauen Sie genau hin. Augustus steht im Panzer vor uns, aber er hat weder einen Helm auf noch Schuhe an. Das ist nicht die Uniform eines Legionärs, was bedeutet, dass das kein normaler Brustpanzer ist. In Wirklichkeit trägt er den Panzer von Stammvater Mars. Er zeigt sich in der Figur des Gottes, der den Fortbestand des Römischen Staates sichert, und stellt sich damit in dessen Nachfolge. Alle Attribute dieser Figur sind letztendlich Verweise auf seine Politik. Das ist nicht irgendein Abbild von Augustus, sondern die bis ins Detail durchdachte, in ihrer Symbolik ausgefeilte Präsentation eines Imperators. Dasselbe Prinzip gilt heute noch bei Herrschern, bloß merken wir es nicht mehr. In einer Welt, die uns via Computer und TV täglich mit Bildern bombardiert, haben wir verlernt, die Zeichen zu deuten. Ob ein arabischer Diktator im Anzug auftritt oder in Uniform ist kein Zufall. Und wenn der amerikanische Präsident plötzlich eine Fliegerjacke trägt, ist es das auch nicht. Dann will er uns wieder auf irgendeinen Kampf gegen den Terror einschwören.« Der Professor tätschelte dem Kaiser die Hüfte. »Aber mit diesem Augustus hier können wir das richtige Lesen der Bilder wieder lernen. Er ist wie ein ferner Spiegel für uns.«
    »Dann ist die klassische Archäologie ja richtige Detektivarbeit«, lachte Beaufort.
    »Das ist sie. Wirklich, das ist sie«, erklärte Degen mit Nachdruck. »Der Archäologe gewinnt einen Großteil seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht durch Lektüre, sondern durch Detektion. Wir spüren auf, wir forschen nach, wir lesen Spuren, wir ermitteln. Eben all das, was ein guter Detektiv auch tut.«
    Beaufort war belustigt. Weniger wegen des Inhalts von Degens Erläuterungen, sondern wegen der Emphase und Leidenschaft, mit der er seine Thesen vortrug. Er war wirklich das krasse Gegenstück zu dem nölenden, vertrockneten Gäbelein.
    »Sie glauben mir nicht? Leugnen Sie das nicht, ich sehe es Ihnen an. Aber ich werde es Ihnen beweisen. Kommen Sie mit, kommen Sie mit!«
    Es fehlte nicht viel, und der Professor hätte ihn an der Hand fortgezogen. Aber Beaufort folgte ihm auch so bereitwillig. Er war gespannt, was das Kontrastprogramm hier noch zu bieten hatte. Auch wenn Degen ein wenig manisch wirkte, war sein Enthusiasmus ansteckend. Zügig und sich immer wieder nach seinem Gast umblickend, führte er ihn auf der

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