Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Ihre Sammlung muss ich bei nächster Gelegenheit unbedingt anschauen.«
»Harsdörffer hat mich gelobt?« Gäbelein schaute ungläubig. »Das hätte ich von dem Kollegen ja gar nicht erwartet. Er steht nämlich recht eng mit Professor Degen, und mit dem verbindet mich eine intime Feindschaft, müssen Sie wissen.«
»Der Professor sprach in den höchsten Tönen von Ihnen«, log Beaufort. In Wahrheit war er recht sauer auf ihn gewesen, weil der angeheiterte Gäbelein seinen besten Cognac weggezecht hatte. »Aber worin besteht Ihr Konflikt mit Professor Degen? Harsdörffer gilt er als großes Talent.«
»Talent? Manche Talente bewahren ihre Frühreife bis ins Alter, ohne sie je zur Entfaltung zu bringen. Ich halte Degen für einen äußerst unseriösen Wissenschaftler. Sie brauchen bloß mal hinüber in seine Sammlung zu gehen: Videospiele und römisches Brotbacken! Das hat doch mit Antikenvermittlung nichts mehr zu tun. Der Mann macht aus seiner Sammlung einen Circus Maximus. Und das vor meiner Haustür. Er ist ein Scharlatan. Nur Schein statt Sein.«
Beaufort wunderte diese Missgunst gegenüber dem Leiter der Antikensammlung nicht. Er selbst hatte sich auf Harsdörffers Party angenehm mit Degen unterhalten, und dieser war sowohl von der Erscheinung als auch vom Charakter her das komplette Gegenstück zu Gäbelein. Allein mit seiner fröhlichenthusiastischen Art musste er zwangsläufig mehr Erfolg haben – und Gäbelein ein Dorn im Auge sein.
»Wenn Sie mich so nachhaltig warnen, werde ich den Besuch drüben besser sein lassen. Schließlich bin ich ja gekommen, um mir Ihre Sammlung anzuschauen. Was für ein Glück, dass ich Sie sogar persönlich antreffe.«
»Mich können Sie hier jeden Tag finden. Im Gegensatz zu gewissen anderen Herren in diesem Hause, die die Wissenschaft mit einem Disney-Park verwechseln, betreibe ich meine Forschungen ernsthaft und mit Fleiß.« Er nestelte an seiner Fliege. »Habe ich das richtig verstanden: Sie interessieren sich für die Ur- und Frühgeschichte im Allgemeinen und für meine Untersuchungen im Besonderen?«
»Tut das nicht jeder? Schließlich erforschen Sie die Wiege der Menschheit«, trug Beaufort dick auf. Ein so vergrätzter staubtrockener Miesepeter war ihm noch nicht untergekommen. Der Mann war eine Witzfigur mit einer bösen Zunge, den er einfach nicht ernst nehmen konnte. So langsam begann er zu begreifen, was Tom Schifferli mit seinem Satz von den wunderlichen Existenzen unter dem akademischen Führungspersonal hier gemeint hatte. »Allerdings ist es ein reines Laieninteresse, muss ich eingestehen.«
»Dann fangen wir am besten am Anfang an. Wenn Sie mir bitte folgen wollen.« Gäbelein wies auf eine Vitrine mit ziemlich ähnlich aussehenden Faustkeilen und fuhr im Deklamationsstil fort: »Dies sind die ältesten von Menschen hergestellten Werkzeuge. Sie sind rund 1,5 Millionen Jahre alt und stammen aus der Olduwai-Schlucht in Ostafrika, die als Wiege der Menschheit gilt. Normalerweise müssten Sie nach Afrikafahren, um die im Original zu sehen, denn sie dürfen schon lange nicht mehr ausgeführt werden. Wir haben diese Stücke in den Sechzigerjahren geschenkt bekommen, als das noch möglich war. Von einem Arzt, der in Tansania gearbeitet hatte. Unsere Erlanger Sammlung umfasst rund zweihunderttausend Objekte und ist damit eine der größten prähistorischen Universitätssammlungen Deutschlands.«
Beaufort lächelte, Interesse mimend. Er hoffte inständig, dass Gäbelein ihm die nicht alle zeigen wollte.
»Sehr schöne Exponate besitzen wir auch aus der Altsteinzeit von der französischen Fundstätte Laugerie-Haute mit ihren beeindruckenden Höhlenmalereien. Ich habe dort selber mal als wissenschaftlicher Assistent geforscht …«
Es dauerte über eine ermüdende Stunde, bis sie endlich zu den Neandertalerknochen kamen. Dabei waren die gesammelten Objekte, die der Professor ihm gezeigt hatte, durchaus interessant gewesen. Nicht nur diverse verzierte Gegenstände aus Stein, Knochen und Elfenbein, sondern auch Fundstücke aus der unmittelbaren Umgebung: Bronzeschmuck vom Walberla, ein Eisenschwert aus Muggendorf, eine Graburne aus Bubenreuth, Rudernadeln aus Strullendorf, Schalen aus Kersbach und ein Antennenschwert aus Möhrendorf. Nur hatte er seine Schätze so dröge angepriesen und seine Auskünfte so dermaßen heruntergeleiert, dass Beaufort mehrfach ein Gähnen unterdrücken musste. Er fühlte sich nach dem Rundgang ähnlich erschöpft wie nach einer
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