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Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall

Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall

Titel: Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ars vivendi verlag GmbH , Co. KG
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Fechtstunde, und das wollte etwas heißen. Doch nun standen sie zum Abschluss vor einer Vitrine mit unscheinbaren Knochenfragmenten und -splittern, und in Gäbelein brach sich auf einmal so etwas wie Leidenschaft Bahn.
    »Hier liegen die Überreste eines fünfzigtausend Jahre alten Neandertalerbabys, das ich persönlich ausgegraben habe. Das Baby ist etwa auf dem Entwicklungsstand des achten Schwangerschaftsmonats und wurde vermutlich tot geboren. Aber dieMutter hat es nicht einfach liegen lassen, sondern in der Siedlung beerdigt, ansonsten wären die Knochen von Raubtieren mitgenommen worden. Diese Skelettteile sind der einmalige Beweis dafür, dass schon die Neandertaler ihre Toten bestattet haben. Das hatte man bis dato von unseren angeblich so primitiven Vorfahren nicht erwartet. Sie sehen hier einen ganz seltenen und wissenschaftlich äußerst wertvollen Fund.«
    »Und warum heißt er Erlanger Neandertaler? Haben Sie die Knochen hier gefunden?«
    »Nicht direkt, aber doch in geografischer Nähe. Dazu müssen Sie wissen, dass die Erlanger Universität Eigentümerin einer eigenen Ausgrabungsstätte ist. Es handelt sich um die ehemalige Neandertalersiedlung in der Sesselfelsgrotte im Altmühltal. Viele Jahre lang haben meine Kollegen und ich dort in den Sommern gegraben. Natürlich nicht mit dem Spaten, sondern ganz vorsichtig mit Löffel, Spatel und Pinsel. Über hunderttausend zum Teil winzig kleine Objekte kamen dabei zum Vorschein. Aber das Neandertalerbaby ist meine Entdeckung. Das hat nicht nur in der Fachwelt für Aufsehen gesorgt, das können Sie mir glauben.«
    Diesem Fund verdankte Gäbelein offenbar seinen wissenschaftlichen Ruf. Allerdings war der Ruhmesglanz dieser Entdeckung in den vergangenen fünfzehn Jahren wohl reichlich matt geworden, denn sonst wäre hier eindeutig mehr los. Aber wahrscheinlich taugten ein paar alte Babyknochen ohnehin nicht als Publikumsmagnet.
    »Das stelle ich mir aufregend vor, den Schreibtisch zu verlassen, um auf Expedition zu gehen.«
    »Denken Sie sich das nicht zu romantisch. Es war oft kalt und regnerisch. Da gab es Sommer, in denen wir den ganzen August über das Feuer schüren mussten, um nicht zu erfrieren. Aber auch wenn die Arbeit unendlich mühsam ist, ist man dabei doch glücklich. Und man freut sich über jeden noch so kleinen Fund. Deshalb gehe ich nächsten Donnerstagauch wieder auf eine Ausgrabung – für sechs Wochen nach Afrika.«
    Kaum zu glauben, dass der Professor auch mal glücklich gewesen sein sollte. Doch nach diesem kleinen Ausbruch positiver Weltanschauung fiel Gäbelein sogleich wieder in seine gewohnte Grantelhaltung zurück, als Beaufort ihn auf die große Ausstellung im Stadtmuseum ansprach. Von so einer Leistungsschau der Universitätssammlungen halte er überhaupt nichts, moserte Gäbelein, weshalb er auch nur Repliken der Erlanger Neandertalerknochen und weiterer Fundstücke entsende. Wenn dort nur die unseriöse Disneysierung der Wissenschaft vorangetrieben werde, seien Kopien doch völlig ausreichend. Für einen solchen Mummenschanz gebe er ganz gewiss keine unersetzlichen Originale aus der Hand. Weder an Charlotte Neudecker noch am toten Tom Schifferli ließ er ein gutes Haar, weil denen die pseudowissenschaftliche Inszenierung von Objekten à la Professor Degen wichtiger sei als seriöse Forschung und wahre Erkenntnis.
    Wenn es nicht so traurig gewesen wäre, hätte Beaufort darüber lachen können. Er war heilfroh, nach anderthalb Stunden endlich dem ewigen Lamento von Professor Gäbelein entkommen zu können. Gegen diese Schwerstarbeit der Recherche war der Besuch in der Anatomie gestern ja das reinste Wattepusten gewesen.
    *
    Gegenüber in der Antikensammlung herrschte das pralle Leben. Eine Klangwolke aus Kinder- und Erwachsenenstimmen umhüllte Beaufort, als er durch die geöffneten grünen Flügeltüren einen breiten Gang entlangschritt, von dem zu beiden Seiten Arbeitsräume abgingen. In einer der Werkstätten waren Jugendliche damit beschäftigt, unter Anleitung eines Studenten Gipsabgüsse einer Caesarbüste herzustellen.Ein Zimmer weiter saß ein Großvater mit seinen Enkeln vor einem Computerspiel. Und an einem langen Arbeitstisch bastelten Hochschüler an dem Modell einer antiken Villa und diskutierten eifrig über architektonische Details. Applaus brandete auf, als Beaufort am Ende des Ganges um die Ecke bog und einen beeindruckend großen Saal betrat, in dem Hunderte überlebensgroßer antiker Statuen standen. Der Beifall

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