Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
davon. Ich werde den Wagen parken und auch mal reinschauen, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Tun Sie das. Ich war da auch noch nie. Aber nach dem zu urteilen, was ich darüber gelesen habe, scheint sich der Besuch zu lohnen.«
Beaufort stieg aus und sah das Taxi auf der Suche nach einem freien Parkplatz langsam die Straße entlangrollen. Er drehte sich um und blieb stehen, um das große Gebäude zu mustern. Mit seinen Augen tastete er das Stockwerk ab, aus dem Tom Schifferli in den Tod gestürzt war. Der Kurator war nicht freiwillig aus dem Fenster gesprungen, sondern getötet worden. Das spürte er ganz einfach. Dieses Verbrechen aufzudecken und seinen Mörder zu finden, war der letzte Dienst, den er dem toten Wissenschaftler erweisen konnte. Nach dieser privaten Gedenkminute löste er sich aus seiner Erstarrung und ging denselben überdachten Gang entlang, den er bereits vor zwei Tagen durchschritten hatte. Für einen vorlesungsfreien Samstagnachmittag herrschte heute erstaunlich viel Betrieb. Ein sich angeregt unterhaltendes Rentnerpaar kam ihm entgegen. Und geradewegs vor ihm betrat ein Vater mit seinen beiden Söhnen im Grundschulalter das Gebäude. Er folgte ihnen in die Lobby und von dort die Treppe hinunter ins Souterrain. Während die drei mit quietschenden Schritten auf dem alten, aber blankpolierten Linoleum nach rechts zur Antikensammlung abbogen – von dort drang lautes Stimmengewirr herüber –, entschloss Beaufort sich dafür, chronologisch vorzugehen und mit der Frühgeschichte zu beginnen. Er hielt sich links und kam nach wenigen Metern in einen ziemlich stillen Teil des Gebäudes. Vor einer geschlossenen Tür blieb er stehen. Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung der Universität Erlangen-Nürnberg las er auf einem Papierschild, das von einem dicken schwarzen Trauerrand eingerahmt war. Na, wenn das mal kein böses Omen ist, dachte er, klopfte an und trat ein.
Rundherum an den Wänden eines nicht allzu großen Zimmers standen Vitrinenschränke aus dunklem Holz und Glas, in denen Faustkeile und Knochen lagen. Fenster begannen erst ab zwei Metern Höhe, weshalb man nicht hinausschauen konnte. Und da sie massiv vergittert waren, kam man sich ziemlich eingesperrt vor. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt durch die Tatsache, dass Beaufort der einzige Mensch in dem Raum war. Er ging ein paar Schritte hinein und sah, dass es rechts eine ganze Flucht weiterer Zimmer in derselben Ausstattung gab – auch sie menschenleer. Die Ausstellungsstücke hier waren bestimmt Hunderttausende von Jahren alt, aber die Einrichtung, die aus den Fünfziger- oder Sechzigerjahren stammen mochte, wirkte beinahe musealer als sie. Die ziemlich verstaubt anmutende Sammlung hatte mit moderner Museumspädagogik etwa so viel zu tun wie Wiener Walzer mit Hip Hop. Kein Wunder, dass sich der Zuspruch in Grenzen hielt.
»Hallo!« Beauforts Stimme hallte durch die Räume.
Hinter ihm öffnete sich eine grüne Tür, und eine dürre Gestalt mit grauem Haar, grauem Anzug und grauem Teint ließ sich blicken. »Sieh an. Hat sich also doch noch ein Besucher hierher verirrt«, knurrte der Mann und schaute Beaufort anklagend an, so als sei er dafür verantwortlich, dass niemand sonst die Ausstellung sehen wollte. Wenn Kurt Gäbelein zu allen Gästen so nett war, wunderte ihn die gähnende Leere hier nicht. Beaufort erkannte den Professor sofort wieder. Umgekehrt war das offenbar nicht der Fall.
»Ich würde mir gern die Sammlung anschauen.«
»Nur zu, nur zu. Hoffentlich bekommen Sie auch alles zu sehen bei dem Gedrängel hier.«
»Gibt es einen Audioguide?«
»Audioguide? Leben wir nicht ohnehin schon im Zeitalter der Massenredseligkeit? Sie erwecken mir doch den Anschein, als seien Sie des Lesens kundig. Es steht alles angeschrieben.«
Sollte Gäbelein jemals seine akademische Laufbahn an den Nagel hängen, würde er als Türsteher vor einem Szenenachtclub ganz bestimmt eine brillante Zweitkarriere starten können. Beaufort, der großen Wert auf Höflichkeit und gute Manieren legte, hätte unter anderen Umständen auf der Stelle kehrtgemacht, nicht ohne dem Mann vorher noch die Meinung zu geigen. Aber in diesem Fall wollte er ja etwas von ihm. Da half ein erprobtes Mittel: Schmeichelei.
»Sind Sie nicht der berühmte Professor Gäbelein, der den Erlanger Neandertaler entdeckt hat? Mein Doktorvater, Professor Harsdörffer, hat mir davon auf seinem letzten Jour fixe erzählt, bei dem Sie ja auch anwesend waren. Und da dachte ich mir,
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