Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Schmach genauer. Hinter einer schiefstehenden Rollbahre aus Edelstahl lag ein Toter auf dem Boden. Der Leichnam war in ein grünes, formalingetränktes Tuch gewickelt, doch hatten sich ein weißer Arm und ein ebenso bleiches Bein bei dem Sturz daraus befreit. Weiter hinten bei den unterirdischen Tanks befanden sich auf einer anderen Totenbahre in Plastik eingeschlagene Leichenteile. Die musste Beaufort im Dunkeln berührt und dann bei seinem Sturz den Toten mit sich zu Boden gerissen haben. Er konnte sich nicht erklären, warum er so panisch reagiert hatte.
»Wie haben Sie mich gefunden?«, fragte er.
»Als Sie nicht wiedergekommen sind, hab ich irgendwannmeinen Platz verlassen, um Sie zu suchen. Und da im Hinterhof die Außentür offen stand, bin ich einfach rein. Am Ende vom Gang ging es nur links weiter. Und dann bin ich auf diese Tür da gestoßen. Der Schlüssel steckte, also hab ich aufgeschlossen und bin hier rein. Es hat etwas gedauert, bis ich den Lichtschalter gefunden hab. Ich bin ganz schön erschrocken, als Sie da wie tot auf dem Boden lagen, das können Sie mir glauben.«
»Danke, dass Sie mich befreit haben.« Beaufort reichte Carl die Hand. »Jemand hat mich eingesperrt.«
»Glauben Sie, das war der Einbrecher von gestern?«
Beaufort hielt sich betroffen die Hand vor den Mund. »Oh mein Gott, Frau Neudecker. Kommen Sie. Schnell!«
Er stürzte durch die zweite Tür aus der Leichenhalle, ohne auf sein schmerzendes Knie zu achten, dicht gefolgt von Löblein. Einmal nahm er eine falsche Abzweigung, bemerkte es aber schon nach wenigen Schritten und kehrte um. Kurz darauf erreichten die beiden das Foyer und hetzten die Treppenstufen hinauf. Nach Atem ringend kamen sie schließlich am Ende des Gangs vor dem Büro der Kuratorin an. Beaufort drückte die Klinke, doch es war abgeschlossen.
Heftig schlug er mit seiner Faust gegen die massive Tür. »Frau Neudecker, sind Sie da?«
Keine Antwort. Beaufort hielt sein Ohr ans Holz. Innen war nicht ein Mucks zu hören.
»Sollen wir sie aufbrechen?«, fragte Carl.
»Versuchen wir’s.«
Abwechselnd warfen sich die Männer gegen die Tür, doch die war so solide, dass sie nicht nachgab. Jetzt tat Beaufort nicht nur das Knie weh, sondern auch noch die Schulter.
»Ich versuche noch mal, sie anzurufen.« Beaufort wählte abermals Frau Neudeckers Handynummer. Hinter der Tür hörten sie es klingeln. Im selben Moment fiel unten das schwere Eingangstor des Hauptportals ins Schloss. Flotte Schritte stöckelten die Treppe hoch und kamen näher. Prompt tauchte imFlur eine Frau im geblümten Sommerkleid auf, das Frank gestern schon an ihr bewundert hatte.
»Herr Beaufort?« Dr. Dr. Charlotte Neudecker sah die beiden Männer ungläubig an. »Wie sind Sie hier hereingekommen? Und überhaupt, was tun Sie da?«
»Warum sind Sie nicht in Ihrem Büro?« Sein Tonfall klang eher vorwurfsvoll als besorgt.
»Sind Sie gekommen, um zu kontrollieren, ob ich auch fleißig bin?«, antwortete die Kuratorin ironisch. »Da kann ich Sie beruhigen. Ich arbeite hier schon das ganze Wochenende durch. Gerade war ich allerdings ein Stündchen frische Luft schnappen und einen Happen essen, wenn’s recht ist.«
»Sie haben Ihr Handy nicht dabei!« Das hörte sich jetzt wirklich wie ein Tadel an.
»Natürlich habe ich es dabei.« Sie kramte in ihrer Handtasche, fand es aber nicht. »Dann muss ich es eben im Büro vergessen haben«, sagte sie schnippisch. »Jetzt wird’s mir langsam wirklich zu bunt. Was soll das hier werden? Die heilige Inquisition?«
»Ich dachte, Sie sind tot.«
»Na, besten Dank. Also bei unseren letzten Begegnungen waren Sie eindeutig charmanter.«
»Herr Beaufort wollte Sie retten. Aber dann ist er im Leichenkeller eingeschlossen worden«, kam der Taxifahrer ihm zu Hilfe, freilich ohne dadurch die Situation wesentlich zu erhellen. Es dauerte eine Weile, bis Beauforts Betriebssystem wieder im Normalmodus lief und er der immer noch skeptischen Kuratorin alles erklärt hatte.
»Klingt, als ob Ihre Fantasie mit Ihnen durchgegangen wäre«, sagte sie von oben herab. »Oder schaut’s hier so aus, als sei bei mir eingebrochen worden?«
»Ich habe aber von der Straße aus jemanden in Ihrem Büro beobachtet«, beteuerte Beaufort. »Würden Sie bitte aufmachen? Dann werden wir ja sehen, ob ich recht habe.«
Dr. Neudecker steckte den Schlüssel ins Schloss, drehte dreimal um und öffnete die Tür. Beaufort blickte sich erwartungsvoll um, aber eigentlich sah das Büro
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