Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Hektisch versuchte er, die Maschine abzustellen und legte den Hebel um, von dem er glaubte, dass er dagegen gestoßen war. Erst passierte gar nichts, doch dann wurde das Rattern lauter, und die Maschineschoss die einzelnen Karten in einer Affengeschwindigkeit seitlich heraus. Die Lochkarten segelten wie Flugblätter durch den Raum und verursachten ein ziemliches Chaos. Bevor Beaufort einen weiteren falschen Schalter drückte, ließ er lieber alles so, wie es war, und eilte zur Gruppe zurück. Dort unterbrach er den Vortrag von Dr. Paschek, drückte dem verdutzten Mann seine Visitenkarte in die Hand, teilte ihm mit, dass nebenan eine der Maschinen verrücktspiele und er besser mal nachsehen solle. Natürlich sei er gern bereit, für den eventuellen Schaden aufzukommen, müsse jetzt aber wegen einer anderen Angelegenheit, die keinen Aufschub dulde, dringend weg. Dabei gehe es gewissermaßen um Leben und Tod, während hier ja nur Sachwerte auf dem Spiel stünden. Dann zog er Carl Löblein mit sich fort und verschwand mit ihm im Treppenhaus.
*
Hauptsächlich war Beaufort geflüchtet, um der peinlichen Situation und der für ihn doch recht ermüdenden Sammlung zu entgehen. Aber da er die Neudecker nun schon mal vorgeschoben hatte, wollte er Annes Bitte auch gleich erfüllen. Ihre plötzliche Sorge war nicht ganz von der Hand zu weisen. Während der Fahrt weihte er Löblein kurz ein und versuchte mehrfach, die Kuratorin, deren Nummer er in seinem Mobiltelefon gespeichert hatte, auf ihrem Handy zu erreichen, doch sie nahm nicht ab. Einigermaßen beunruhigt stieg er in der Universitätsstraße vor dem Anatomischen Institut aus dem Taxi und sah zu ihrem Bürofenster hinauf. Hinter der halb heruntergelassenen Jalousie bewegte sich ein Schatten.
»Sie ist da«, sagte er erleichtert zu Carl, der sich neben ihn gestellt hatte und ebenfalls hochschaute. »Es ist das Fenster oben links. Wir müssen rein, um sie zu warnen.«
Gemeinsam gingen sie um die Ecke zum Haupteingangmit der großen Freitreppe davor. Doch oben angekommen, mussten sie feststellen, dass die Tür verschlossen war. Eine Klingel oder einen Klopfer gab es nicht. Beaufort wählte zum wiederholten Mal die Mobilnummer der Kuratorin und schüttelte dann den Kopf. »Sie nimmt nicht ab. Vielleicht hat sie ihr Handy irgendwo liegen lassen. Wenn ich ihre Büronummer hätte, könnte ich sie auf dem Festnetz anrufen.«
»Kein Problem«, sagte Carl Löblein und zog sein Blackberry aus der Hosentasche, »die sollte sich auf den Seiten der Uni finden lassen.« Er wählte sich mit seinem Smartphone ins Internet ein, klickte auf die Homepage der Hochschule, ließ sich Neudeckers Namen buchstabieren und gab ihn in die Suchmaske ein. Wenig später nannte er Beaufort die Telefonnummer, sodass er oben anrufen konnte.
Nach einer Weile erwartungsvollen Schweigens nahm Frank sein Telefon wieder vom Ohr und klappte es zu. »Sie hebt einfach nicht ab«, sagte er ernst.
»Das ist aber merkwürdig, wo wir doch jemanden am Fenster gesehen haben.«
»Ich kann nur hoffen, dass nicht gerade der Mörder bei ihr ist.« Er schluckte. Sein Mund war auf einmal ganz trocken. »Sie bleiben hier und bewachen den Eingang. Wenn eine verdächtige Person rauskommt, knipsen Sie bitte ein Foto von ihr mit Ihrem tollen Telefon, beschatten sie vorsichtig und rufen mich an. Falls gerade zufällig jemand hineingehen sollte, versuchen Sie, mit ihm reinzuschlüpfen. Dann rufen Sie mich an, lassen mich auch rein, und gemeinsam gehen wir zur Kuratorin hoch. Meine Nummer haben Sie ja.«
Der Taxifahrer nickte. »Und was machen Sie inzwischen?«
»Ich versuche mein Glück auf der Rückseite. Da gibt es einen Hintereingang für den Leichenwagen.«
Da das schmiedeeiserne Portal rechts neben dem Anatomiegebäude verschlossen war, ging Beaufort in den Schlossgarten hinein und schob sich von dort durch die Hecke aufden asphaltierten Hinterhof des Hauses. Eine Tür und zwei große Tore aus Metall führten in die Anatomie. Er vermutete, dass die Begräbniswagen rückwärts an die garagenartigen Tore heranfuhren und so, vor Blicken von außen geschützt, ihre tote Fracht anlieferten oder die im wahrsten Sinne des Wortes sterblichen Überreste eines Körperspenders für die Beerdigung abholten. Er ruckelte erst an dem einen, dann an dem anderen Tor, doch waren beide verschlossen. Als er der Vollständigkeit halber auch noch die Klinke der danebenliegenden Tür herunterdrückte, ließ die sich zu seiner Überraschung
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