Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
fingiert hat, um jeden Verdacht von sich abzulenken.«
»Fängst du jetzt plötzlich an, sie zu verdächtigen, wo ich gerade zum gegenteiligen Schluss gekommen bin?«
»Sie hat schon ziemlich cool und abgebrüht auf den Diebstahl ihres Computers reagiert. Besonders beeindruckt hat sie das alles nicht. Ich weiß allmählich nicht mehr, was ich von ihr halten soll. Je öfter ich sie sehe, desto schwerer fällt es mir, sie einzuschätzen.«
In der Pirckheimer Straße musste Anne einer langsamen Straßenbahn hinterhertrödeln. »Nur, wer hat dich dann im Sektionsraum eingesperrt? Wenn die Neudecker den Einbruch bloß vorgetäuscht hat, hatte sie da unten doch gar nichts verloren. Ich glaube ja, dass du dem Einbrecher und damit dem Mörder begegnet bist. Er muss durch die mittlere Tür raus sein, während du im Leichenkeller warst. Dann hat er dich festgesetzt, um in Ruhe verduften zu können. Wenn er sich einen Schlüssel zu Neudeckers Büro besorgen konnte, dann doch bestimmt auch einen zur Anatomie.«
»Keine angenehme Vorstellung.« Beaufort schluckte. »Das bedeutet nämlich, dass der Mörder jetzt weiß, wie ich aussehe. Wir dagegen tappen immer noch im Dunkeln.«
»Mach dir keinen Kopf deswegen.« Anne legte ihre Hand auf Beauforts Knie. »Hast du nicht gesagt, dass es dort drinnen total finster war? Wenn er dich gesehen hat, dann bestimmt nur schemenhaft.«
»Hoffentlich liegst du damit auch richtig.« Beaufort schaute aus dem Autofenster, ohne wirklich etwas wahrzunehmen, und malmte seine Kiefer aufeinander.
»Lass uns lieber überlegen, was van der Veldt und Gäbelein dort zu suchen hatten. Das kann doch kein Zufall gewesen sein.« Endlich bog die Straßenbahn ab, und Anne gab Gas, um bei Dunkelorange noch links in die Bayreuther Straße einzufädeln.
»Ich glaube nicht, dass beide gemeinsam etwas mit der Sache zu tun haben, aber einer von ihnen könnte es vielleicht gewesen sein. Gut möglich, dass derjenige, der mich eingeschlossen hat, vor der Anatomie zufällig auf den Sammlungskollegen gestoßen ist und in ein Gespräch verwickelt wurde.«
»Oder den anderen extra in eines verwickelt hat«, ergänzte die Journalistin. »So konnte er oder sie unauffällig in der Nähe bleiben und sehen, was weiter passiert.«
»Fragt sich nur, wer es war: die Hüterin des Botanischen Gartens oder der Zerberus der Frühgeschichtlichen Sammlung? Immerhin war es Frau van der Veldt, die zum Büro hochgeschaut hat. Es kann aber auch nur Zufall gewesen sein«, stellte Beaufort fest. Anne bog rechts in den Nordring ab. »Sag mal, wo fährst du überhaupt hin?«
»Zum Interview in die Zoologische Sammlung.«
»Das ist aber nicht der Weg nach Erlangen. Du solltest dir vielleicht doch mal ein Navi anschaffen.«
Anne warf ihrem Freund einen scheelen Blick zu. »Eine solche Empfehlung aus deinem Mund? Bis jetzt bin ich noch immer überall angekommen. Und den Weg zum Tiergarten find ich sogar mit geschlossenen Augen.«
»Du weißt schon, dass da die lebendigen Tiere sind? Wir aber wollen zu den ausgestopften. Es gibt da einen kleinen Unterschied zwischen Zoologischem Garten und Zoologischer Sammlung.«
»Was bist du doch manchmal für ein kleines Klugscheißerle.« Sie strich ihm lässig mit der Rechten durchs Haar. »Wenn du besser recherchiert hättest, wüsstest du, dass die Zoologische Sammlung dreigeteilt ist. Und der wichtigste und wertvollste Teil der Sammlung befindet sich im Tiergarten, und zwar im Naturkundehaus.«
Wenig später parkte Anne den Wagen am Schmausenbuck im Schatten der Bäume. Die Sonne brannte herunter. Es dauerteeine geraume Zeit, bis sie der Dame im Kassenhäuschen klarmachen konnte, dass sie nicht etwa zwei Eintrittskarten kaufen wollten, sondern zu einem Interview erwartet wurden, was diese erst durch umständliche Telefonate zu verifizieren versuchte. Schließlich durften sie doch hinein.
Das Naturkundehaus, ein relativ moderner Fachwerkbau mit viel Holz und Glas, lag hinter dem Haupteingang am Waldrand. Als sie die Halle im Erdgeschoss betraten, sahen sie jede Menge Tierskelette und Tierschädel. Gerade wurde eine Schulklasse durch die aktuelle Ausstellung mit dem Titel Hand und Fuß geführt, und die Schüler durften ein drei Meter hohes Elefantenbein betasten. Die Schau gab einen Überblick über die Evolutionsgeschichte des Menschen, wie einem Plakat zu entnehmen war, das Beaufort interessiert studierte. Anne sah sich unterdessen suchend um, fand die Treppe hinab ins Untergeschoss und
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