Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
ganz normal aus. Auf dem Schreibtisch stapelten sich Papiere, auf dem hinteren Tisch standen wie bei seinem letzten Besuch die Masken, Moulagen und Tierschädel für die Ausstellung. Hatte er sich geirrt?
Charlotte Neudecker trat an ihren Schreibtisch und prüfte die Unterlagen. Dann hielt sie mit einem Mal inne. »Es war wirklich jemand hier und hat in meinen Akten gewühlt. Diesen Stapel da habe ich seit Wochen nicht mehr angerührt, aber jetzt ist er nicht an derselben Stelle.« Sie sank auf ihren Stuhl.
Also doch, dachte Beaufort befriedigt. »Fehlt etwas?«
Die Kuratorin ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen, dann bemerkte sie das leere Rechteck auf dem Boden, das von einem Schmutzrand und Kabelsalat umgeben war. »Mein Rechner ist weg«, sagte sie tonlos und kaute auf ihrer Unterlippe.
»Das muss doch eine Katastrophe für Sie sein? Sind da nicht alle Dateien für Ihre Ausstellung drauf?«
»Ja, natürlich. Aber ich verlasse das Zimmer nie, ohne mir eine Kopie auf meinen Laptop zu ziehen. Außerdem habe ich daheim noch eine externe Festplatte mit den meisten Daten. Ich bin doch nicht verrückt und hebe die Arbeit von fast zwei Jahren nur an einer einzigen Stelle auf.«
Während sie schweigend auf die Polizeistreife warteten – einen Tee hatte Beaufort dankend abgelehnt –, fiel sein Blick durchs Fenster hinunter in die Universitätsstraße. Auf dem Trottoir gegenüber standen ausgerechnet Dr. van der Veldt und Professor Gäbelein und redeten angeregt miteinander. Kein Wunder, dass die beiden sich mögen, dachte Beaufort. In puncto Bärbeißigkeit gaben sie sich wirklich nicht viel. Bestimmt waren sie sich unten an der Ecke begegnet und beklagten jetzt gemeinsam die Weltläufte. Doch obschon die beiden in ihr Schwätzchen vertieft schienen, sah dieBotanikerin auf einmal direkt zu dem Bürofenster hoch. Unwillkürlich wich Beaufort einen Schritt zurück. Obwohl durch die Lamellen der Jalousie höchstens sein Schatten zu sehen sein konnte, fühlte er sich erkannt.
Kurz darauf traf die Polizeistreife ein. Als der uniformierte Beamte mit dem Walrossschnauzer Beaufort und Löblein erblickte, zuckte er merklich zusammen. »Sie schon wieder? Und schon wieder ein Einbruch in der Universität? Das lassen Sie mal besser nicht zur Gewohnheit werden.«
*
»Haben Sie es endlich gefunden?«
»Nein.«
»Langsam sind wir mit unserer Geduld am Ende. Sie müssen es ausfindig machen – unbedingt.«
»Und wenn nicht?«
»Schadet es Ihnen mehr als uns. Wir existieren offiziell nicht mehr.«
»Schaden? Es würde mich vernichten.«
»Dann ziehen Sie endlich Ihre Schlüsse daraus. Ende.«
7. Arret-Stoß – Montag, 18. Juli
»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sich dieser arrogante Schnappauf vor uns aufgeblasen hat. Angeblafft hat er uns, dass wir in seiner Stadt nichts zu suchen haben und er uns diesmal ganz sicher ins Gefängnis stecken wird. Der hält sich wohl für den Sheriff von Erlangen. Ein klarer Fall von Hybris.«
Anne bog in den Neutorgraben ein und fuhr an der Stadtmauer entlang. Zwar hatte sie das Wesentliche gestern Abend schon von Frank am Telefon erfahren, doch ausführlich hatten sie über seine Erlebnisse noch nicht sprechen können.
»Aber dann hat Ekki uns wieder rausgehauen. Der ist eben ein echter Freund. Natürlich hätten wir nicht so einfach in die Anatomie eindringen dürfen, aber Ekki hat dem Kommissar erklärt, dass es Notstand war. Wir haben den Hausfriedensbruch ja nur begangen, weil wir uns sicher waren, dass Frau Neudecker in Gefahr schwebte. Dann ist das nicht nur vertretbar, sondern sogar unsere Bürgerpflicht, sagt er. Besonders, nachdem sich herausgestellt hat, dass tatsächlich jemand in ihr Büro eingebrochen ist.« Von der unerfreulichen Episode im Leichenkeller hatte er Anne lieber nicht alles erzählt, nur, dass er dort eingeschlossen worden war. Es war ihm peinlich, so dermaßen in Panik geraten zu sein. Der Vorfall kratzte an seinem Selbstbild. Er war eigentlich überhaupt kein ängstlicher Typ – im Gegenteil. »Schnappauf hat uns daraufhin zähneknirschend ziehen lassen.«
Der gelbe Golf erreichte die Anhöhe. Anne ließ die Kaiserburg rechts liegen und folgte der Bucher Straße. »Wie ist der Dieb da überhaupt reingekommen, wenn ihr beiden Männer noch nicht mal die Tür aufbrechen konntet?«
»Mit einem Schlüssel. An dem Türschloss fanden sich keine Einbruchspuren, hat mir Ekki verraten. Es kannnatürlich auch sein, dass die Neudecker den Einbruch bei sich
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