Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
winkte ihren Freund zu sich.
Der trottete missmutig zu ihr hinüber. »Schon wieder ein Keller«, brummte er. »Müssen diese Wissenschaftler eigentlich fast alle unterirdisch arbeiten? Ich frage mich ernsthaft, wieso man die Universität mit einem Elfenbeinturm vergleicht.«
Achtzehn Stufen tiefer blieben sie vor einer feuerfesten Stahltür mit der Aufschrift Zutritt verboten stehen. Anne klopfte, doch niemand reagierte darauf. Sie klopfte lauter und nachdrücklicher. Wieder rührte sich nichts.
»Stimmt die Zeit?«, fragte Beaufort.
»Ich hab 10.00 Uhr mit dem Sammlungsleiter ausgemacht. Und es ist zwei Minuten nach.«
Da öffnete sich die Tür doch noch, und ein etwa fünfzigjähriger Mann in weißem Laborkittel und mit durchsichtigen Latexhandschuhen an den Fingern sah sie fragend an.
»Anne Kamlin vom Bayerischen Rundfunk. Das ist mein Kollege Frank Beaufort. Wir haben einen Termin mit Professor Adler.«
»Der telefoniert noch«, sagte der Mann mürrisch. »Ich soll Sie hereinbitten. Aber fassen Sie bloß nichts an.« Er musterte die beiden argwöhnisch. »Ich bin Franke.«
»Ich auch«, beeilte sich Beaufort stolz zu erklären. Merkwürdige Form des Lokalpatriotismus, dachte er. Besser man fraternisierte da gleich mal landsmannschaftlich – das konnte bei so einem Griesgram nur von Vorteil sein.
Der Mann im Kittel warf ihm einen besonders giftigen Blick zu und ging wortlos an seine Arbeit zurück. Vor ihm auf einer großen Arbeitsplatte standen mehrere hohe Gläser, in denen tote Schlangen aufgeringelt waren. Aus einem Kanister füllte er eine klare, alkoholisch riechende Flüssigkeit in einen der Glaszylinder, bis der ganz voll war, und verschloss das Gefäß mit einem Glasdeckel. Er ignorierte die Anwesenheit der beiden Besucher völlig.
Frank und Anne warfen sich einen vielsagenden Blick zu und schauten sich dann um. Der Keller war hell erleuchtet, sehr sauber, ziemlich groß und voller Rollschränke aus Metall. Einer davon war geöffnet. Dort standen mindestens hundert weitere Gläser mit eingelegten Schlangen. Auch zahlreiche Tierschädel konnten sie entdecken. Im Vergleich zu der Hitze draußen war es ziemlich kalt hier unten. Anne fröstelte in ihrer dünnen Bluse.
»Ganz schön frisch hier«, versuchte Beaufort ein Gespräch mit dem Weißkittel.
»Achtzehn Grad sind Vorschrift. Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit müssen konstant sein. Sonst leiden die Präparate.«
»Den Schlangen dürfte das doch wohl egal sein in ihren Gläsern. Und den Schädeln da auch.«
»Den anderen Tieren aber nicht«, erwiderte der Mann und schob ruckartig einen Vorhang beiseite. Ein riesiger, schwarzer Gorilla funkelte sie böse aus blitzenden Augen an. Reflexartig traten die beiden einen Schritt zurück, bis sie erkannten, dassdas natürlich kein lebender Gorilla war, sondern ein ausgestopfter.
Anne kicherte erleichtert. »Da haben Sie uns ja einen schönen Schrecken eingejagt. Der sieht aber auch richtig bedrohlich aus.«
Der Gorilla stand leicht vorgebeugt, sodass seine langen Arme mit den riesigen Händen daran bis auf den Boden reichten. Er erweckte den Eindruck, als würde er jeden Moment zum Sprung ansetzen.
»Wie ich sehe, hat Sie Herr Franke schon mit Schorsch bekannt gemacht?«, erklang hinter ihnen eine sanfte Stimme. Sie gehörte zu einem zierlichen alten Mann mit Glatze und Brille, der sich als Professor Eberhard Adler vorstellte. Nachdem Beaufort peinlich berührt registriert hatte, dass er die Namensvorstellung des Tierpräparators vorhin vermasselt hatte, verkniff er sich seine Nomen-est-omen-Bemerkung zu Adler lieber und ließ unerwähnt, dass dem Sammlungsleiter die Berufswahl des Zoologen ja quasi bereits in die Wiege gelegt worden sei. Eine kluge Entscheidung, wie sich herausstellte, denn der Professor machte diesen Scherz im nächsten Augenblick selbst und toppte ihn noch mit dem Hinweis, dass sein größtes Interesse schon immer der Ornithologie gegolten habe. Doch auch als Emeritus komme er leider viel zu selten zur Vogelbeobachtung, da er sich selbst im Ruhestand immer noch ehrenamtlich um die Zoologische Sammlung kümmere, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden sei.
Anne zückte ihr Mikrofon und drückte auf Aufnahme. »Habe ich richtig gehört, und Sie haben diesen Gorilla eben Schorsch genannt? Geben Sie allen Tieren hier Namen?«
»Natürlich nicht. Aber Schorsch war in den Sechzigerjahren die Attraktion im Tiergarten. Nach seinem Tod wurde er präpariert und war bis 1985 der
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