Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
öffnen. Einen Moment zögerte Beaufort, doch dann fasste er sich ein Herz und ging hinein.
Behutsam betrat er einen schmalen, weiß gekachelten Flur, der immer schummriger wurde, je weiter er ihn entlangging. An seinem Ende lagen drei Türen: eine rechts, eine links und eine geradeaus. Der mittlere Zugang war verschlossen. Die rechte Tür dagegen ließ sich öffnen. Langsam machte er sie auf und vernahm ein leises Brummen. Beaufort spürte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte. Er blieb im Dämmerlicht stehen, tastete nach dem Schalter, entdeckte ihn und im selben Moment, als er ihn drückte, flutete helles Licht aus den Neonröhren an der Decke. Direkt vor ihm befand sich eine blankgeputzte Bahre aus Edelstahl. Ringsum an den Wänden standen drei weiße Kühltruhen, in die Beaufort ganz gewiss nicht hineinschauen würde. Es gab weder Fenster in dem kleinen Raum noch einen weiteren Ausgang – Sackgasse. Er ließ das Licht brennen und wandte sich der dritten Tür zu. Auch die war nicht abgeschlossen. Leise öffnete er sie, sodass das Licht aus dem anderen Keller hineinscheinen konnte. Dieser Raum war ebenso klein wie jener, aber komplett grün gekachelt. Links an der Wand befanden sich Porzellanbecken, in denen es leise plätscherte. Rechts entdeckte er eine weitere Tür, deren untere Hälfte mit Edelstahlblech beschlagen war. Beaufort nahm wieder den süßlichen Geruch wahr, der ihmschon vor zwei Tagen den Hals zugeschnürt hatte. Jetzt hatte er zumindest eine Vorstellung davon, wo er sich befand. Wenn dies der Raum war, in dem das Gehirn mit dem Loch darin gespült wurde, konnte der Zugang dort nur in die Leichenhalle führen. An deren Ende aber, daran erinnerte sich Beaufort genau, gab es eine zweite Tür zu einem Vorraum, von dem aus man ungehindert weiter ins Gebäude hinein und letztlich ins Foyer gelangen konnte.
Er nahm all seinen Mut zusammen und betrat zögernd den Sektionsraum. Die große Halle lag im Dunkeln, und es wollte ihm nicht gelingen, den Lichtschalter zu ertasten. Der widerliche Formalingeruch schlug ihm auf den Magen. Er öffnete den Mund und versuchte, nicht durch die Nase zu atmen. Sein Herz schlug heftig bis zum Hals. Aber er durfte nicht einfach aufgeben. Charlotte Neudecker schwebte womöglich in großer Gefahr. Da würde er es ja wohl noch schaffen, diesen Raum hier zu durchqueren. Und ein wenig Dämmerschein drang immerhin durch die geöffnete Tür hinter ihm noch herein. Die Hände schützend vor sich haltend zwang Frank sich, Schritt für Schritt weiterzugehen. Wenn er es etwa zehn Meter geradeaus geschafft hatte, müsste links der steinerne Seziertisch auftauchen. Den bräuchte er nur noch zu passieren, gleich danach würde rechts der andere Ausgang kommen. Er hatte sich langsam mitten in den Leichensaal vorgearbeitet, da schlug hinter ihm dröhnend die Tür zu. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, und Beaufort fuhr mit rasendem Herzen herum. Er war gefangen! Panik stieg in ihm auf. In dem jetzt stockdunklen Raum verlor er jede Orientierung. Er irrte vorwärts, tastete etwas Kaltes, Glitschiges, taumelte voller Ekel zurück, stieß gegen etwas Hartes, Metallisches hinter sich, das plötzlich nachgab, verlor das Gleichgewicht, versuchte sich im Fallen an etwas festzuhalten, erwischte einen Fetzen Stoff, riss ihn mit sich, ging hart zu Boden, hörte, wie direkt neben ihm etwas Schweres wie ein nasser Sack auf den Fliesen aufschlug,spürte eine eiskalte Hand in seinem Gesicht, schrie entsetzt auf und wurde in einen sich immer schneller drehenden schwarzen Strudel hineingezogen, bis die Woge der Finsternis über ihm zusammenbrach.
*
Beaufort kam zu sich, als eine Hand mehrmals gegen seine Wangen klatschte. Langsam öffnete er die Augen und erkannte das bestürzte Gesicht von Carl Löblein, der sich neben ihn gekniet hatte.
»Allmächd, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt.«
Mühsam richtete Beaufort sich auf. Eine Welle der Übelkeit schwappte durch seinen Körper.
»Helfen Sie mir aufzustehen.« Seine Stimme klang heiser.
Der Taxifahrer zog Beaufort hoch, der sich wackelig auf ihn stützte. Sein linkes Knie schmerzte. Die Übelkeit wogte unbeherrschbar, der Speichel in seinem Mund stand ihm Oberkante Unterlippe. Hektisch schaute er sich um, hinkte zu einem Waschbecken an der Wand und erbrach sich. Nachdem er sein exquisites Frühstück in den Ausguss gespült und sich mit kaltem Wasser erfrischt hatte, fühlte er sich etwas besser. Erst jetzt musterte er den Ort seiner
Weitere Kostenlose Bücher