Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Gebäude brauchten. Und wir Zoologen zogen ins neue Biologikum auf das Südgelände.«
Wie sich herausstellte, kam nur die relativ kleine Lehrsammlung mit in die neue Unterkunft. Der größte Teil der toten Tiere wurde in der sogenannten Kegelbahn, einem geräumigen Keller unter der Südmensa mehr schlecht als recht gelagert. 1995 konnten dann wenigstens die dreitausend empfindlichsten Stücke in den Nürnberger Tiergarten umziehen.
»Dies ist ein wirklich gutes Magazin. Hier kümmert sich Herr Franke um die Sammlung. Ohne ihn würde sie langsam zugrunde gehen. Die Präparate müssen immer wieder aufs Neue vor dem Verfall bewahrt werden. Ständig drohen Mottenfraß, Schädlingsbefall und Schimmelbildung. Aber leider hat die Zoologie kein Interesse mehr an diesen Dingen. Als der letzte Präparator der Universität vor Jahren in Rente ging, wurde die Stelle nicht mehr besetzt. Längst gibt es auch keinen Lehrstuhl für Zoologie mehr. Stattdessen liegt der Schwerpunkt jetzt auf der Molekularbiologie.« Der alte Professor schüttelte über diese Entwicklung den Kopf.
So war das nun mal mit Sammlungen, dachte Beaufort. Sie führten ein Eigenleben, waren in Bewegung, wuchsen, nahmen wieder ab, verstaubten, wurden verpackt, vergessen, wiederentdeckt, entstaubt, zogen um und schrieben ihre eigene Geschichte.
»Und was passiert mit den vielen anderen Präparaten in der Kegelbahn?«, fragte Anne.
»Die werden verrotten, wenn wir nicht bald eine Lösung finden. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr mich der Anblick dort schmerzt – die reinste Tristesse. Es ist mir unbegreiflich, wie die Hochschule diese Werte und das darin erhaltene Wissen einfach so verkommen lassen kann. Deshalb setze ich meine ganze Hoffnung in den neuen Kustos. Der muss dringend eine Lösung für das Problem finden.«
»Wen hätten Sie denn lieber gehabt: Dr. Schifferli oder Dr. Neudecker?«, schaltete Beaufort sich ein.
Adler schwieg und sah ihm prüfend in die Augen. »Würden Sie bitte für einen Moment die Aufnahme stoppen?«, bat er Anne höflich.
Sie ließ bereitwillig ihr Mikrofon sinken.
»Ich bevorzugte eindeutig Herrn Schifferli. Er war der Zoologie sehr zugetan, müssen Sie wissen, und hatte schon Pläne gemacht für eine neue Unterkunft in der ehemaligen Fledermausbeobachtungsstation. Frau Neudeckers Interesse liegt leider mehr bei den Medizinischen Sammlungen.« Und mehr zu sich als zu den beiden ergänzte er leise: »Es ist schon mysteriös, dass Tom ausgerechnet jetzt gestorben ist, so kurz vor der Stellenvergabe.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte die Journalistin leise.
»Ich darf doch davon ausgehen, dass dieser Teil unseres Gesprächs unter uns bleibt und nicht an die Öffentlichkeit gelangt?«
Anne und Frank nickten zustimmend.
»An einen Suizid vermag ich nicht zu glauben. Dr. Schifferli hat mich noch ein paar Stunden vor seinem Tod angerufen. Er klang überhaupt nicht depressiv – im Gegenteil. Er war voller Pläne und machte sogar Scherze.«
»Was wollte er von Ihnen?«
»Er fragte mich, ob ich ihm für die Erlanger Ausstellung noch ein paar Regalmeter unserer fränkischen Vögel abtreten könne, was ich ihm natürlich gern zusagte. Am nächsten Tagwollte er vorbeikommen, um die Tiere abzuholen. So verhält sich doch kein Selbstmordkandidat.«
»Haben Sie denn eine Erklärung für seinen Tod?«, hakte Beaufort nach. »Frau Kamlin und ich glauben auch nicht an einen Suizid oder an einen Unfall«, gestand er, »sondern an ein Verbrechen.«
Anne funkelte ihn böse an, weil er das nicht hätte verraten dürfen, doch Frank vertraute seiner Intuition.
»Das ist eine Auffassung, zu der auch ich immer mehr tendiere«, sagte der Professor bedächtig.
»Warum?«, fragten beide wie aus einem Mund.
»Ein paar Tage vor seinem Tod saßen wir im Kaiser Wilhelm beisammen. Das war seine Stammkneipe. Wir verstanden uns recht gut, wissen Sie, ich glaube, Tom sah in mir eine Art väterlichen Freund. Wir redeten auch über den Rücktritt des Verteidigungsministers und die akademischen Verfehlungen bei seiner Doktorarbeit. Da fragte er mich, wie ich mich denn verhalten würde, wenn ich zufällig von einer wissenschaftlichen Fälschung Kenntnis erlangt hätte. Ich antwortete ihm, dass ich zuvor sehr genau nachforschen und Beweise sammeln würde, ehe ich etwas unternähme. Erst wenn ich mir ganz sicher wäre, würde ich mich an die entsprechenden Universitätsgremien wenden. Schließlich bedeute dieser Schritt meistens das Ende einer
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