Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Heizungskeller. Klimatisch ist das wohl ganz günstig für die Sammlung, aber die Arbeitsbedingungen müssen hart sein. Die bewahren da unten rund hundertsechzigtausend getrocknete Pflanzen auf, und es ist tierisch eng. Da würde sogar ich Klaustrophobie bekommen, wenn ich dort länger drin sein müsste.«
»Was ist mit dem Strandling? Hast du was herausbekommen?«
»Ist wieder da«, sagte Anne lakonisch. »Die Pflanzen aus Schifferlis Büro hat van der Veldt noch am Donnerstag abholen lassen, gleich nachdem du mit ihr gesprochen hattest. Der Strandling war also gar nicht mehr drin, als das Büro versiegelt wurde.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Ja, und der andere Biologe im Herbarium hat mir seine Echtheit bestätigt.«
»Glaubst du, der Einbrecher hat danach gesucht?«
»Dann war es aber nicht der Mörder, denn der hätte die Pflanzen ja gleich mitnehmen können. Nein, der hat etwas anderes gewollt. Außerdem taugt dieses unscheinbare Pflänzchen sowieso nicht für die Pharmazie, sagt der Botaniker. Diese Spur ist kalt, die können wir abhaken.«
*
Die Atemzüge neben ihm gingen ruhig und gleichmäßig. Anne schlief tief und fest. Sie hatte die dünne Bettdecke weggestrampelt und lag nackt auf der Seite. Trotz der Dunkelheit sah er ihre gebräunte Haut in den weißen Laken schimmern.Ihr langes, dunkles Haar floss über das Kopfkissen – ein friedliches Bild. Beaufort dagegen wälzte sich seit zwei Stunden im Bett herum. Er konnte nicht einschlafen, ständig musste er über die Erlebnisse der letzten Tage nachgrübeln. Doch die Gedankenfetzen in seinem Kopf kamen und gingen, wie sie wollten, und ließen sich nicht in einen sinnvollen Zusammenhang fügen. Müde war er auch nicht mehr.
Leise stand er auf und schlüpfte in seine Boxershorts. Auf dem Weg zur Tür hob er einen weißen Seidenstrumpf und Annes alten Schwesternkittel vom Boden auf und legte beides behutsam über eine Stuhllehne. Seine Geliebte schmatzte im Schlaf und drehte sich auf den Rücken. Er verharrte regungslos mit einem Gefühl voller Zärtlichkeit. Als sie wieder gleichmäßig atmete, schlich er hinaus ins Ankleidezimmer und schloss die Schlafzimmertür sachte hinter sich. In der angrenzenden Bibliothek suchte er im Regal nach einer geeigneten CD für die träge heiße Hochsommernacht, nahm ein paar Papiere und seinen Laptop vom Schreibtisch und ging die breite Wendeltreppe hinunter. In der Küche öffnete er die Kühlschranktür, widerstand der Versuchung von Weißwein oder Pralinen und schnappte sich stattdessen einen Apfel, den er am Küchentisch sitzend kaute, während der Computer hochfuhr. Charlie Haden am Bass und Pat Metheny an der Gitarre malten mit sparsamen Zupfbewegungen den weiten Himmel von Missouri.
Zuerst suchte er sämtliche Kunstauktionshäuser durch, die er in Deutschland und Europa kannte, um zu schauen, ob dort irgendwo der gestohlene Dürer angeboten wurde. Sotheby’s hatte einige kleinere Stiche des Künstlers im Programm, doch Die große Kanone war nicht darunter. Fehlanzeige. Dann nahm er sich die Liste der gestohlenen Bücher vor, die Frau Krüger-Fernandez ihm vor vier Tagen gegeben und die er seitdem nicht wieder angeschaut hatte. Er überprüfte das Angebot der demnächst stattfindenden Auktionen mit alten und wertvollenBüchern, doch auch dort landete er keinen Treffer. Schließlich, die Musik war schon längst verstummt, ließ er jedes einzelne gestohlene Buch durch die einschlägigen Antiquariatsplattformen laufen. Fünfmal wurde er fündig. Ein Antiquar in Wien und einer in Stuttgart boten beide das gleiche Alchemiebuch aus dem 17. Jahrhundert an, das auch in der UB fehlte. Möglicherweise stammte eines der beiden aus der Erlanger Bibliothek. Als Beaufort aber die Anbieter der anderen drei Bücher anklickte, wäre seiner Kehle fast ein Freudenschrei entsprungen. Doch den schluckte er angesichts der Uhrzeit – es war halb drei – lieber hinunter. Stattdessen reckte er nur stumm seine Fäuste Richtung Küchendecke. Alle drei Bücher wurden von demselben Antiquar angeboten, und das auch noch im relativ nahen Würzburg. Das konnte kein Zufall sein. Das war eine richtig heiße Spur. Befriedigt lehnte Beaufort sich in seinem Stuhl zurück. Er gähnte. Jetzt hatte er sich einen Schlummertrunk verdient. Er goss sich aus dem Bocksbeutel ein Gläschen Scheurebe vom Stein ein – passender konnte man diesen Fund gar nicht begießen als mit einem berühmten Würzburger Tropfen – und wählte das letzte Stück von
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