Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
Kunden Interesse an dem Buch hatten, muss ich es definitiv zu billig angeboten haben.«
»Und was ist mit dem Traktat über die schwangeren Frauen? Ist das auch schon weg?«
»Das habe ich noch da.« Er griff in ein Regal hinter sich und beförderte eine dicke, abgegriffene Lederschwarte auf den Tresen. » Tractat von denen Kranckheiten schwangerer oder gebährender Weibs-Personen . Basel 1757. Keine Erstausgabe, dafür enthält diese Auflage hier aber mehr Kupferstiche.«
Beaufort blätterte aufmerksam in dem Buch auf der Suche nach Stempeln, die es als Eigentum der UniversitätsbibliothekErlangen auswiesen, doch anscheinend waren die alle entfernt worden. An einer Stelle war das Papier sehr dünn und beschabt. »Ein interessantes Exemplar«, stellte er fest, »aber 1.300 Euro sind ganz schön üppig.«
»Da kann ich Ihnen ja vielleicht noch etwas entgegenkommen. Ehrlich gesagt, wusste ich auch nicht, dass Sie sich für Medizingeschichte begeistern.«
Beaufort fixierte sein Gegenüber genau. »Ich hatte vor Kurzem eine Führung durch die Anatomische Sammlung der Erlanger Universität. Dort ist mein Interesse für das Thema geweckt worden.«
»Zu diesem Gebiet kann ich Ihnen gern noch ein paar andere Bücher zeigen«, entgegnete der Antiquar geschäftstüchtig. Der Hinweis auf die Erlanger Uni hatte keine verräterische Reaktion bei ihm hervorgerufen.
»Besten Dank. Nicht nötig. Das heißt, haben Sie auch einen Heister?«
»Leider nein. Ist mir in all den Jahren auch nie angeboten worden.«
»Und wie sieht es mit der Erstausgabe von Dantons Tod aus?«
»Dass Sie Georg Büchner interessieren würde, habe ich mir schon eher gedacht.«
Westheim schritt an die Glasvitrine, öffnete sie mit einem Schlüssel und entnahm ihr ein dünnes, unscheinbares Pappbändchen. Feierlich legte er es seinem Kunden vor. Anne fragte sich, was daran so toll sein sollte, und Beaufort, der ihren Blick auffing, erklärte es ihr, während er es sich genauer anschaute. »Das ist Georg Büchners einziges zu Lebzeiten gedrucktes Buch. 1835 in Frankfurt erschienen. Zwei Jahre vor seinem frühen Tod. Ein extrem rares Stück, zumal, wenn man bedenkt, dass er heute ein Klassiker ist und der wichtigste deutsche Literaturpreis in seinem Namen verliehen wird. Büchner selbst ahnte nichts von seinem Nachruhm, er empfand sich alserfolglosen gescheiterten Autor. Tragisch. Was soll das Stück kosten?«
»Sechstausend Euro, aber das ist es auch wert.«
»Ohne Frage. Wie sind Sie nur an so ein erlesenes Stück gekommen?«
»Durch einen Sammler, der Geld für eine größere Anschaffung brauchte. Witzigerweise habe ich auch das Geburtshilfebuch da von ihm. Und den Zwingli auch. Das ist ja ein Zufall.«
»Leider ist es weder ein Zufall noch witzig. Ich fürchte, Sie sind einem Dieb aufgesessen und haben sich Hehlerware andrehen lassen.«
Der Antiquar wurde erst blass und dann rot im Gesicht. »Das ist nicht Ihr Ernst.« In seiner Stimme klang mehr Zweifel als Hoffnung mit.
»Ich ermittle im Auftrag der Friedrich-Alexander-Universität. Und ich habe Grund zu der Annahme, dass diese Bücher hier Eigentum der Erlanger Universitätsbibliothek sind. Sie werden sie mir wohl überlassen müssen.« Beaufort klappte Dantons Tod wieder auf. »Sehen Sie hier das Titelblatt? Da hat jemand einen Stempel weggekratzt. Aber hier hinten befindet sich noch eine Signatur, die der Dieb übersehen haben muss. Der Leiter der Handschriftenabteilung wird zweifelsfrei klären können, ob die Bücher nach Erlangen gehören. Ich werde Ihnen den Empfang selbstverständlich quittieren.«
Westheim fasste sich theatralisch ans Herz und ließ sich auf seinen Stuhl plumpsen. »Das ist ja fürchterlich. Nicht nur für mein Renommee, auch für meine Kasse. Sie können sich vorstellen, dass ich einiges für diese Bücher hingeblättert habe. Das Geld kann ich dann wohl abschreiben, wenn sich das bestätigen sollte.«
»Wer hat Ihnen die Bücher denn verkauft?«, schaltete Anne sich ein.
»Ein Sammler, wie gesagt. Ich habe schon zweimal günstig Raritäten von ihm erworben, aber es gab nie irgendwelche Klagen.«
»Kennen Sie seinen Namen?«, setzte sie nach.
»Leider nein. Aber ich kann Ihnen den Mann beschreiben.«
»War es ein junger Bursche mit lauter Tätowierungen?«, fragte Beaufort einer Eingebung folgend.
»Wo denken Sie hin. Bei so jemandem wäre ich skeptisch geworden. Nein, es war ein distinguierter älterer Herr. Nicht sehr groß, kräftige Statur, mit Bart und
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