Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
knipsen lassen.«
»Wenn Sie nicht warten wollen, bis sie hierher zur Arbeit kommt, rufen Sie Frau Weyrauch am besten auf ihrem Diensthandy an.« Professor Degen schaute in ein Verzeichnis und notierte die Nummer auf einem Notizzettel. »Der Auftrag wird sie bestimmt freuen. Roswitha hat keine volle Stelle und ist für Nebenjobs immer dankbar.«
»Dann telefoniere ich gleich mit ihr. Sie entschuldigen mich einen Augenblick?«
»Nur zu, tun Sie sich keinen Zwang an. Mit Frau Kamlin verbleibt uns ja die charmanteste Gesellschaft, die man sich nur wünschen kann«, raspelte Harsdörffer Süßholz.
Um ungestört sprechen zu können, verließ er nicht nur das Büro, sondern auch das Museum und trat ins Treppenhausfoyer zwischen den beiden Sammlungen. Roswitha Weyrauch nahm schon nach dem zweiten Klingeln ab.
»Mein Name ist Frank Beaufort. Wir sind uns in den letzten Tagen mehrmals in der Universität begegnet, allerdings ohne miteinander ins Gespräch zu kommen: im Botanischen Garten, in der Pathologie …«
»Ich erinnere mich sehr gut an Sie. Was wollen Sie von mir?« Ihre Stimme klang misstrauisch.
»Ich würde mich gerne mit Ihnen über den Tod von Dr. Schifferli unterhalten.«
»Dazu kann ich überhaupt nichts sagen«, wehrte sie auffallend heftig ab.
»Da bin ich aber ganz anderer Meinung. Ich bin mir sogar sicher, dass Sie eine wichtige Zeugin sind. Sie waren doch in der Mordnacht in Ihrem Atelier?«
Schweigen. Nur heftiges Atmen war zu hören.
»Frau Weyrauch. Was haben Sie gesehen?«
»Oh mein Gott. Wenn Sie es herausbekommen haben, wird er es auch rausfinden.«
»Wer wird was herausfinden?«
»Das kann ich Ihnen nicht verraten.«
Beaufort spürte, wie ihre Angst förmlich durch das Telefon kroch. Gutes Zureden brachte da weniger, als den Druck zu erhöhen. »Wenn Sie nicht mit mir reden wollen, dann eben mit der Polizei. Die werde ich nämlich jetzt benachrichtigen.«
»Nicht die Polizei! Auf keinen Fall!«
»Hören Sie, ich ermittle privat in dieser Angelegenheit. Wenn Sie Sorge haben, Sie könnten sich durch Ihre Aussage irgendwie belasten, seien Sie beruhigt. Mir sind Ihre anderen Sünden herzlich egal. Und ich kann schweigen wie ein Beichtvater. Mich interessiert nur der Mörder.«
Erneute Stille. Er fühlte, wie sie mit sich rang.
»Bitte, sagen Sie es mir.«
»Also gut, aber nicht am Telefon«, flüsterte sie erregt. »Kommen Sie ins Tropenhaus im Botanischen Garten. Dort ist es sicherer. Ich bin in einer halben Stunde da.«
Beaufort sah auf seine Uhr. »Gut, Frau Weyrauch, dann um 16.00 Uhr im Tropenhaus«, bestätigte er.
Er steckte das Handy ins Jackett zurück, nickte Professor Gäbelein zu, der die Treppe heruntergestiegen war, jedoch griesgrämig und grußlos in seiner Sammlung verschwand, und kehrte ins Antikenmuseum zurück. Es rumorte in seinem Gedärm. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er einer ganz heißen Spur folgte.
*
Sie schlossen die Glastür hinter sich und standen mitten im Dschungel. Rundum hohe tropische Gewächse mit großen Blättern: Riesenbambus und Ameisenbaum, Maniok und Vanille, Bananenstaude und Feigenbaum, Farne und Lianen, Ananas und Papaya, Kakaobaum und Mangroven, Patschuli und fleischfressende Pflanzen. Der ganze tropische Regenwald mit sprudelnden Quellen und plätschernden Bachläufen war hier in feuchter Schwüle versammelt. Dazu summten Insekten, trillerten exotische Vögel, schrien Äffchen, wehte der Wind hoch oben in den Wipfeln und rauschte der Monsunregen – die Geräuschkulisse vom Band machte die Inszenierung des fränkischen Dschungels erst perfekt.
»Wow, ist das toll hier!«, schwärmte Anne. »Hast du eine Ahnung, warum man so was Schönes ›Grüne Hölle‹ nennt?«
»Dies hier hat tatsächlich mehr von einem grünen Paradies. Aber denk dir noch die wilden Tiere, die Giftschlangen, den Dauerregen und die Kopfjäger dazu, dann weißt du, was damit gemeint ist. Nicht zu vergessen die Dunkelheit im Schatten der Riesenbäume und der üppigen Vegetation.«
»Ich finde es auch so schummerig genug. Glaubst du, unsere Zeugin ist schon da?«
»Lass uns auf Expedition gehen und sie suchen.« Beaufort fasste seine Freundin bei der Hand, und gemeinsam streiften sie durch den tropischen Regenwald. Außer einem Rentner in beigefarbener Zipp-Off-Hose und einer Mutter mit zwei aufgekratzten Kindern begegneten sie niemandem. Da trat plötzlich Roswitha Weyrauch wie aus dem Nichts hinter einem Baum hervor, sodass Anne erschrocken
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