Tod im Botanischen Garten - Frank Beauforts dritter Fall
zurückwich.
Die Fotografin legte den Zeigefinger auf die Lippen. »Ist Ihnen auch niemand gefolgt?«, flüsterte sie.
Die beiden schüttelten den Kopf.
»Wer ist diese Frau? Ich dachte, Sie kommen allein.«
»Keine Sorge. Das ist meine Freundin.«
»Kommen Sie mit ins andere Gewächshaus. Da ist es sicherer.«
Anne und Frank folgten ihr durch eine weitere Glastür in ein kleineres, nur halb so großes Tropenhaus. Hier wuchs der Bergregenwald. Es war stiller, heller, noch feuchter – und es war menschenleer. Sie gingen auf einem leicht ansteigenden Pfad bis fast ans Ende der Halle, von wo aus man den einzigen Zugang gut im Blick hatte. Die Fotografin war bleich und sah verstört aus. Immer wieder schaute sie ängstlich zur Tür.
»Beruhigen Sie sich doch.« Anne berührte sie sanft am Arm. »Wovor haben Sie solche Angst?«
»Ich habe sein wahres Gesicht gesehen. Er ist zu allem fähig. Glauben Sie mir …«
»Wer?«, fragte Beaufort. Die Frau ging ihm langsam auf die Nerven.
»… ich habe einen Blick dafür. Seine Augen sind eiskalt.«
»Am besten, Sie erzählen uns alles der Reihe nach«, versuchte Anne das Ruder wieder zu übernehmen. »Sie waren in der Nacht, als Dr. Schifferli starb, noch spät im Atelier, stimmt’s?«
»Ja, es war noch so viel für den Katalog zu erledigen. Druckvorlagen erstellen, Bilder digital bearbeiten, Fotos gegen bessere austauschen. Darüber ist es ziemlich spät geworden.« Sie fuhr sich hektisch durch ihr kurzgeschnittenes Haar.
»Wie spät?«
»Es war fast Mitternacht, als ich endlich meine Sachen zusammenpacken konnte. Ich löschte das Licht, schloss die Tür und war schon auf dem Gang, als ich draußen einen Riesenknall hörte. Hab ich mich vielleicht erschrocken! Ich bin wieder rein ins Atelier, konnte aber wegen der hohen Oberlichter und der Dunkelheit nichts erkennen. Da dachte ich mir, vielleicht ist ein großer Vogel gegen ein Fenster geknallt. Das ist hier schon mal passiert und macht einen Mordskrach, das glaubt man gar nicht.«
Beaufort wischte sich den Schweiß von der Stirn. War das ein Klima hier drinnen. Warum hatten sie Roswitha Weyrauch nicht in einem Café treffen können? Oder wenn schon im Botanischen Garten, dann wenigstens im Freien. Es gab hier so schöne schattige Bänke.
»Und dann sind Sie rausgegangen und haben Dr. Schifferlis Leiche gefunden?«, versuchte er die Angelegenheit zu beschleunigen.
»Aber nein, ich habe den Toten niemals gesehen. Ich habe davon erst am nächsten Nachmittag erfahren, als ich zur Arbeit gekommen bin. Bis dahin war ich völlig ahnungslos.«
»Ja, was haben Sie denn dann überhaupt gesehen?«, fragte Beaufort ungeduldig.
»Zuerst habe ich nur etwas gehört. Ich hatte gerade die Tür der Antikensammlung abgeschlossen, da bemerkte ich, wie jemand ziemlich flott von oben die Treppen runterkommt. Ich habe mich gefragt, wer denn außer mir so spät noch im Haus arbeitet, und bin mit meiner schweren Fotoausrüstung und dem Stativ langsam die Treppe ins Erdgeschoss hoch. Den Fahrstuhl benutze ich so spät nicht mehr, nicht, dass ich da mal stecken bleibe mitten in der Nacht. Oben angekommen sehe ich gerade noch, wie er zum Innenhof raus ist. Ich hab den anderen Ausgang genommen, wo mein Auto immer steht, und bin heimgefahren.«
»Das könnte der Mörder gewesen sein«, warf Anne aufgeregt ein.
»Das habe ich mir am nächsten Tag auch zusammengereimt, als ich mitbekam, dass sich da nicht etwa ein Vogel das Genick gebrochen hat.«
»Haben Sie die Person erkannt?«
Wieder schaute die Fotografin ängstlich zur Tür. Sie waren immer noch allein im Gewächshaus. »Ja, das habe ich«, sagte sie leise.
»Wer war es?«
Doch noch ehe Roswitha Weyrauch ihren Mund öffnen konnte, riss sie schmerzerfüllt die Augen auf, fasste sich an den Nacken und kippte vornüber wie ein gefällter Baum. Mit einer reflexartigen Bewegung fing Beaufort die Frau in seinen Armen auf, sah einen kurzen kleinen Pfeil in ihrem Genick stecken und bemerkte, wie sich in einigen Metern Entfernung an der Wand die großen Blätter einer dichten Grünpflanze bewegten, weil dort ein verzierter Holzstab ins Dickicht zurückgezogen wurde. Rasch legte er die Bewusstlose mit Annes Hilfe auf den Boden und raste im nächsten Moment auf die Pflanze zu, um sich auf den mutmaßlichen Heckenschützen zu stürzen. Doch zu seiner Überraschung führten hinter dem feuchten Blätterwald ein paar Stufen zu einer gut getarnten, grün gestrichenen Tür hinab. Dahinter
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