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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Sicherheit.«
    Ich seufzte, zog den Reißverschluß auf und blickte hinein.
    »Oho!« sagte ich.
    »Was ist? Was meinst du mit ›Oho‹? Red doch schon!«
    Ich drehte die Tasche um und kippte ihren Inhalt auf den Tisch. Ein paar weiße Hemden, zwei graue Hosen, Unterwäsche, Socken, zum Glück ungetragen, ein Kulturbeutel und etwas, das mein Herz sofort höherschlagen ließ.
    Anjas Augen wurden riesengroß. Sie kam zurück an den Tisch, nahm die Brille ab, blinzelte und setzte sie wieder auf.
    »Du liebe Güte!« sagte sie verdutzt. »Das ist ja Geld!«
    Es war tatsächlich Geld. Nicht übermäßig viel, wenn man meine unerfüllten Träume bedachte, aber es reichte für zwei flotte Wochen auf Ibiza. Deutsche Mark, Dollars, Schweizer Franken. Fein säuberlich gebündelt, frisch gedruckt, jungfräulich.
    Ich zählte rasch nach.
    Umgerechnet waren es etwas über fünfzehntausend Mark.
    Wenn ich sparsam damit umging, reichte es sogar für drei flotte Wochen auf Ibiza.
    »Und was machen wir damit?« fragte Anja in ihrer reizenden Naivität. »Wir können es doch nicht zur Polizei bringen, oder doch?«
    »Wir beschlagnahmen es, ist doch klar«, sagte ich. »Schmerzensgeld für mich, Schadenersatz für deinen Trabbi und der Rest für die Unkosten, die uns garantiert noch entstehen werden.«
    Ich stapelte das Geld am Tischrand und wandte mich der Wäsche zu. Mit spitzen Fingern pflückte ich sie auseinander, fand aber nichts, was irgendeinen Hinweis auf den Besitzer lieferte, kein Monogramm, keinen vergessenen Ausweis in der Hemdtasche, kein Geständnis, nichts. Beim Anblick des Geldes hatte ich einen Moment lang vermutet, daß die Tasche, so häßlich sie auch sein mochte, nicht dem Mörder, sondern dem Opfer gehört hatte, und daß der Killer den Mann nur umgebracht hatte, um an den Schließfachschlüssel und damit an das Geld zu kommen.
    Aber die Hemden waren billigste Konfektionsware, Baumwollimitate aus hundert Prozent Polyester, hergestellt vom VEB Kleiderwerke Güstrow, wie das Etikett verriet, und der Tote im Dom hatte feinstes Westtuch getragen. Extrem unwahrscheinlich, daß er eine Art Dr. Jekyll & Mr. Hyde der Textilbranche war, der tagsüber den großen Modefuzzy spielte und nachts als Ossi verkleidet die Frauen erschreckte.
    Ich starrte das Hemdetikett an. Ostklamotten. War der Killer etwa ein Ossi?
    »Na so was!« sagte Anja und entriß mir das Hemd. »Das kommt ja aus Güstrow!«
    »Scharf beobachtet«, lobte ich. »Der Mörder könnte also einer von euch sein.«
    Sie funkelte mich empört an. »Was heißt einer von uns? Was willst du damit sagen? Meinst du, hier im Westen gibt’s nicht genug Mörder? Hier werden doch jeden Tag unschuldige Menschen massakriert – und zwar von deinen Leuten!«
    »He, reg dich ab! Es war nur eine Spekulation – wenn auch eine ziemlich überzeugende.« Ich dachte kurz nach. »Natürlich könnte der Killer auch besonders raffiniert sein, sich im Osten einkleiden und im Westen morden, und in Wirklichkeit kommt er aus dem Süden. Vielleicht ist er gar kein Ossi, sondern ein Bayer. Ich hab’ den Bayern noch nie getraut.«
    Anja warf das Hemd auf den Tisch. »Oder ein Russe. Bestimmt ist er ein Russe. Güstrow hat schon zu SED-Zeiten dermaßen miserable Ware geliefert, daß fast die ganze Produktion in die Sowjetunion ging.«
    »Ihr Ossis habt eine Russenphobie«, stellte ich nachsichtig fest und griff nach dem Kulturbeutel. »Immer, wenn irgend etwas Böses in der Welt geschieht, glaubt ihr, daß die Russen dahinterstecken. Dabei sind es die Amerikaner!«
    Ich zog den Reißverschluß auf und spähte in den Beutel.
    »O nein!« sagte ich.
    Anja reckte den Kopf.
    »O ja!« rief sie. »Ich wußte es, ich wußte es, ich wußte es!«
    Ich kippte resigniert den Inhalt auf die Wäsche. Eine Pistole der russischen Marke Makarow, zwei Ersatzmagazine und vier Handgranaten, die, nach der kyrillischen Typenbeschriftung zu urteilen, ebenfalls aus sowjetischen Waffenfabriken stammen mußten.
    »Das war’s«, sagte Anja. »Der Mörder ist ein Russe. Vielleicht ein KGB-Agent!«
    Ich wickelte die Handgranaten vorsichtig in eins der Hemden und legte sie noch vorsichtiger zurück in die Reisetasche.
    »Das beweist überhaupt nichts«, widersprach ich dann energisch. »Gegen harte Deutschmarks verhökern die Rotarmisten bei euch sogar Panzer und Boden-Luft-Raketen. Wer Geld hat, kann auf dem Schwarzmarkt Tausende von diesen Handgranaten bekommen.«
    Ich goß mir einen neuen Weinbrand ein und

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