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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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betrachtete die Waffen, das Geld, die Kleidungsstücke. Von den fünfzehn Riesen abgesehen, war die Ausbeute der Operation Schließfach ziemlich mager. Die Makarow-Pistole und die Handgranaten würden mir vielleicht noch gute Dienste leisten, wenn ich den Mörder fand, aber wie sollte ich ihn finden, wenn ich von ihm nur seine Hemdgröße und seine Vorliebe für VEB-Textilien kannte?
    Es war aussichtslos.
    »Was willst du jetzt tun, Harry?« fragte Anja. »Willst du immer noch allein nach dem Mörder suchen? Was ist, wenn der noch mehr von diesen Handgranaten hat? Vielleicht Tausende! Ich bin dafür, wir übergeben alles den zuständigen Organen und…«
    »Bei uns heißt das nicht Organe, sondern Polizei«, fiel ich ihr schroffer als beabsichtigt ins Wort. »Außerdem habe ich dir bereits gesagt, daß ich nur dann eine Chance habe, wenn ich den Fall selbst löse.«
    »Was schlägst du also vor?«
    »Ich schlage vor, wir gehen ins Bett.«
    »Das ist eine hervorragende Idee«, sagte Anja erfreut und sprang vom Stuhl auf. »Ich habe mich schon die ganze Zeit gefragt, wann du endlich vernünftig wirst!«
    »Wir gehen ins Bett und schlafen«, fügte ich betont hinzu und gähnte demonstrativ. »Ich bin zu müde zum Denken – von allem anderen ganz zu schweigen. Warte nur ab. Morgen sieht die Sache schon ganz anders aus. Morgen finden wir die Lösung für all unsere Probleme.«
    Doch ich glaubte selbst nicht an meine Worte. Frustriert wischte ich den verdammten Kulturbeutel vom Tisch. Als er auf dem Boden landete, flatterte ein Zettel heraus, der in einem der Innenfächer gesteckt haben mußte. Ich bückte mich, hob ihn auf und faltete ihn auseinander.
    Es war eine Liste.
    Eine Namensliste. Mit Schreibmaschine getippt. Sechs Namen und Adressen.
     
    Otto Pastich, Köln.
    Wolf Schönbrunn, Schwarzwald.
    Hans-Dieter Machetzky, München.
    Jochen Wernecke, Leipzig.
    Michael Dorn, Berlin.
    Horst Bollmann, Berlin.
     
    Freunde des Mörders? Komplizen wie der Mann aus dem blauen Mercedes? Hielt ich hier die Personalliste einer Verbrecherbande oder gar einer Mörder-GmbH in Händen? Die Todesliste eines gesamtdeutsch operierenden Killers? Oder nur die Liste der Leute, die er im Notfall anpumpen konnte?
    Immerhin hatten wir eine Spur.
    Anja nahm mir den Zettel ab. »Leipzig«, sagte sie. »Und die beiden Berliner Adressen liegen im Osten. Drei Ossis und drei Wessis. Wir haben also beide recht gehabt.«
    Ich wollte sie an ihre Russen- und KGB-Theorie erinnern, machte mir aber dann doch nicht die Mühe.
    »Wir suchen diesen Pastich auf«, sagte ich statt dessen. »Gleich morgen früh. Vielleicht kann er uns erklären, wie er auf diese Liste kommt und was sie zu bedeuten hat.«
    Ich trank meinen Weinbrand und dachte daran, wie unbeschwert mein Leben früher gewesen war. Waren seit dem Mord im Dom tatsächlich erst ein paar Stunden vergangen? Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Während ich vor mich hinbrütete und die ominöse Namensliste immer wieder durchging, als hoffte ich, durch bloße Willenskraft den Namen des Mörders herauszufiltern, machte Anja leise pfeifend das Bett und verschwand anschließend in der sarggroßen Duschkabine.
    Ich schlüpfte aus meinen Klamotten und sank erleichtert ins Bett.
    Meine Lider wurden schwer.
    Aber ich konnte nicht einschlafen.
    Ich mußte an Anja denken. Und an das Geld auf dem Tisch.
    Fünfzehntausend Mark. Damit war Ibiza zum Greifen nah. Alles, was ich brauchte, war ein neuer Paß, und den konnte ich mir bei einem meiner kriminellen Freunde besorgen, Johnny »Walker« Schultz, dem unheilbar erotomanen Herausgeber des Kölner Kunstjournals Apex, der sich seine teuren Vierfarbreproduktionen nur leisten konnte, weil er seit Jahren nebenbei eine florierende Paßfälscherei betrieb. Ich konnte das Geld nehmen, den nächsten Flieger in den Süden besteigen und völlig entspannt am Strand von Ibiza liegen, statt einen Killer zu suchen, der mir garantiert jede Menge Schwierigkeiten machen würde, falls ich ihn überhaupt jemals fand.
    Natürlich löste das nicht meine Probleme mit der Polizei. Aber in meinem Beruf konnte ich überall arbeiten, und wenn ich nicht den Fehler machte, irgendwann aus falscher Sentimentalität nach Deutschland zurückzukehren, hatte ich eine gute Chance, mein Leben in Freiheit zu beenden.
    Die Versuchung war groß.
    Ich hörte leise Schritte, und dann schlüpfte Anja ins Bett und kuschelte sich an mich. Ich roch ihr Haar, ihre Haut, ich spürte ihre Wärme und den Druck

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