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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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ihrer Schenkel, und ich dachte an all die Frauen an all den Stränden unter der südlichen Sonne.
    Ich war zu jung für eine feste Bindung.
    Ich würde immer zu jung dafür sein.
    Ich hob vorsichtig die Lider und sah direkt in Anjas Augen. Sie hatte tatsächlich schöne Augen. Groß, klar und warm. Eine Schande, daß sie sie hinter einer Teleskopbrille versteckte. »Tscha…«, sagte ich vage.
    »Pst«, machte sie. »Du mußt nichts sagen. Du mußt auch nichts tun. Es genügt, wenn ich bei dir liegen darf.«
    Sie kuschelte sich enger an mich, aber ich mißtraute ihrer Selbstlosigkeit. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß sie wirklich stark genug war, meinem teuflisch guten Aussehen länger als ein paar Minuten zu widerstehen.
    »Ich kann schon verstehen, daß du Angst vor mir hast«, flüsterte sie mir ins Ohr. »Ich meine, schließlich hast du mich erst heute kennengelernt. Du kannst gar nicht wissen, auf wen du dich da einläßt. Ich könnte ja ein besitzergreifendes Ungeheuer sein…«
    »Nun ja«, sagte ich, »der Gedanke ist mir tatsächlich schon…«
    »… oder eine männermordende Hexe, die dir das Herz bricht. Laß dir ruhig Zeit. Du wirst schon sehen, was du an mir hast. Du wirst schon sehen, daß ich die Frau bin, die du brauchst – jetzt noch dringender als je zuvor.«
    Ich hatte da meine Zweifel, doch ich sagte nichts und schloß wieder die Augen.
    »Ich liebe dich, Harry«, flüsterte sie. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich liebe!«
    Das konnte ich schon, aber ich wollte sie nicht durch eine unbedachte Äußerung ermutigen. Ihr feines blondes Haar kitzelte an meiner Nase, und ich nieste. Sie seufzte leise, legte ihren Arm um mich und rieb ihre schweren, vollen Brüste an meiner Seite. Dann winkelte sie ein Bein an und schob es über meinen Bauch.
    Ein letzter Seufzer, und sie gab Ruhe.
    Ich wartete, doch nichts geschah.
    Dafür verwirrte mir der frische, süße Duft ihrer Haut immer mehr die Sinne, und bald drängte sich mir der Gedanke auf, daß ich mich wie ein Idiot benahm. Warum sollte ich ihr nicht die Freude machen und mit ihr schlafen? Nach diesem grauenhaften Tag hatte ich Entspannung dringend nötig, und Anja vermutlich auch.
    Und was war, wenn ich morgen von der Polizei verhaftet oder vom Domkiller umgebracht wurde? Dann war es mit dem Vögeln aus und vorbei!
    Im übrigen waren wir beide moderne Menschen.
    Ein bißchen Spaß war noch lange kein Heiratsantrag.
    Probeweise streichelte ich ihre nackte Schulter. Sie reagierte nicht. Meine Hand wanderte an ihrem Oberarm hinunter zu ihrer Brust. Sie fühlte sich erstaunlich gut an, doch Anja reagierte immer noch nicht.
    »Anja?« sagte ich. »Schläfst du?«
    Nach wie vor keine Reaktion.
    Sie war tatsächlich eingeschlafen. Es war unbegreiflich!
    Ich löschte das Licht. Wahrscheinlich war es besser so. Für sie und für mich. Eine Liebesnacht hätte unsere Beziehung nur unnötig kompliziert.
    Aber es ärgerte mich trotzdem.
    Und es ärgerte mich, daß es mich ärgerte.
    Ich lag da, in der Dunkelheit, und hörte ihren leisen, regelmäßigen Atemzügen zu. Sie hatten etwas Beruhigendes, Einschläferndes, und bald schlief auch ich. Traumlos und tief, mit Anja in meinen Armen.
    Als ich erwachte, drang helles Morgenlicht durchs Fenster. Anja saß in Jeans und ihrem Go West!- T-Shirt neben mir auf dem Bett, rüttelte mich an der Schulter und fuchtelte so wild mit einer Zeitung herum, als wollte sie einen ganzen Fliegenschwarm erschlagen.
    »Harry! Wach auf, Harry! Du mußt aufwachen!«
    Ihr Tonfall verhieß nichts Gutes. Und ich war noch viel zu müde, um mich mit schlechten Nachrichten abzugeben. Ich hatte das Gefühl, erst ein paar Minuten geschlafen zu haben.
    »Du stehst in der Zeitung!« sprudelte sie hervor. »Dein Bild ist in der Zeitung! Auf Seite zwei! Du wirst als Mörder gesucht!«
    »Das war zu erwarten«, knurrte ich wenig begeistert und drehte mich auf die Seite. »Und deshalb weckst du mich? Ich bin müde. Laß mich schlafen. Wie spät ist es überhaupt?«
    »Schon halb acht! Verdammt, wach endlich auf, Harry! Du mußt aufstehen! Du mußt sofort etwas unternehmen!«
    »Halb acht?« Ich zog mir die Decke über den Kopf. »Ich stehe nie vor zwölf auf. Komm in vier Stunden wieder. Mit Kaffee und Brötchen. Und ohne diese schreckliche Zeitung.«
    Sie zog mir die Decke weg, drehte mich auf den Rücken und hielt mir die Titelseite des Kölner Express vor die verquollenen Augen.
    »Lies, Harry!«

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