Tod im Dünengras
Meurer-Entertainment Italia muss weiterlaufen. Ich muss noch
etwas mit Enzo besprechen. Aber zur Chorprobe werde ich pünktlich da sein.«
»Findest du den Weg nach Keitum?«, fragte Carolin.
»Wenn die Taxifahrer auf Sylt keine Idioten sind, müsste es
klappen.« Giovanna sah grinsend zwischen Carolin und Mamma Carlotta hin und
her. »Habe ich euch schon gesagt, dass ich eine Ãberraschung für euch habe?«
Mamma Carlotta schüttelte den Kopf. »Was ist es?«
»Wenn ich es verrate, ist es ja keine Ãberraschung mehr.«
Carolin blickte
beseelt aus dem Fenster und sagte langsam und nachdenklich: »Ich habe auch eine
Ãberraschung für euch.«
»Und die willst du ebenfalls nicht verraten?«, fragte Mamma
Carlotta.
»Doch! Ich will nicht mehr Sängerin, sondern Chorleiterin werden.«
»Ich finde, Sie sollten netter zur Ihrer Schwiegermutter
sein!« Sören sah seinen Chef vorwurfsvoll an. »Dass es nichts mehr bringt, nach
dem Mann mit den groÃen FüÃen zu suchen, dafür kann sie nichts. Wir müssen froh
sein, dass sie die Schuhe gefunden hat. Nun wissen wir, dass uns jemand
vorgegaukelt hat, der Mörder wäre ein Mann mit groÃen FüÃen. Dafür sollten Sie
ihr dankbar sein.«
Sie hatten am Postgebäude an der KjeirstraÃe halt gemacht, wo es
eine Bäckerei mit einem Stehcafé gab. Erik hatte sich geweigert, seinen
Espresso zu Hause einzunehmen, weil direkt nach dem Mittagessen die
Vorbereitungen für die Chorprobe begannen, die Carolin leiten sollte. »In einem
kühlen Grunde« wollte Erik auf keinen Fall bleiben, das hatte er laut und
unmissverständlich verkündet â aber wenig Eindruck hinterlassen.
»Dann eben nicht«, hatte Giovanna ungerührt entgegnet.
Erik wünschte, er hätte darauf bestanden, sie im Strandhotel
unterzubringen. Seit ihrer Ankunft wurde in seinem Hause noch häufiger, noch
lauter, noch durchdringender gesungen. Dass er seine Ruhe haben wollte, wenn er
heimkam, interessierte niemanden: Giovanna nicht, Carolin aus Prinzip nicht,
ja, nicht einmal Mamma Carlotta! Erik musste schon froh sein, dass sie bereit
gewesen war, für ihn noch einmal bei Adriano Girotti in Neapel anzurufen.
»Anscheinend hatte Susala wirklich nichts mit Francescos
Machenschaften zu tun«, meinte Erik, während er mit Sören an einem Stehtisch
stand und seinen Kaffee schlürfte.
»Das hätten Alviso und Follini gewusst«, bestätigte sein Assistent.
»Aber wie Sie schon sagten ⦠der Mord an Francesco hat vielleicht gar
nichts mit den Erpressungen zu tun.«
Erik nickte schwer, schwieg, starrte nach drauÃen auf die StraÃe und
strich ausgiebig seinen Schnauzer glatt. »Ich bin ratlos, Sören«, sagte er
schlieÃlich. »Ich weià gar nicht mehr, wo wir ansetzen sollen. Alviso und
Follini haben gestanden, das hat Girotti vorhin meiner Schwiegermutter
berichtet. Aber nur den Totschlag an Henner Jesse. Mit dem Mord an Utta Ingwersen
wollen sie nichts zu tun haben.«
Sören winkte ab. »Das hatten wir doch schon. Das eine war Totschlag
und das andere Mord. Einen Mord gesteht man erst, wenn einem nichts anderes
übrig bleibt. Oder war es vielleicht Francesco selbst, der Utta Ingwersen
umgebracht hat?«
Ein dunkler Wagen hielt auf dem Parkstreifen vor der Bäckerei, und
der Chefredakteur des Inselblattes, beladen mit vielen Briefen, ging ins
Postgebäude. Erik sah ihm nachdenklich hinterher. »Glauben Sie, dass Arne
Ingwersen den Tod seiner Mutter gerächt und Francesco umgebracht hat?«
»Oder Vera Ingwersen hat den Tod ihrer Schwiegermutter gerächt?«,
fragte Sören zurück.
»Oder Willem Jäger hat als Freund der Familie den Erpresser
beseitigt?«
»Hatten wir nicht gesagt, Francescos Tod muss nichts mit den
Erpressungen zu tun haben?«
»Richtig! Aber was kommt als Motiv infrage?«
»Liebe und Eifersucht! Die klassischen Mordmotive!«
»Wer liebt wen, und wer war eifersüchtig?«, fragte Erik.
»Arne Ingwersen liebte seine Kellnerin und hatte Angst, sie an den
Jugendfreund zu verlieren.«
»Dann hat Susala also gelogen, als sie behauptete, sie habe mit
Francesco nichts mehr am Hut gehabt?«
»Gelogen hat sie, weil sie ahnt, wer Francesco umgebracht hat. Arne
Ingwersen!«
»Sie will ihn nicht verraten. Aber warum nicht?«
»Weil er ihr leidtut. Weil sie sich
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