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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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gefühlt wie in
diesem Moment. Ein Kampf gegen die Mafia? War er dem überhaupt gewachsen?
    Â»Wie sieht’s mit der Muschel II
aus?«, erkundigte er sich. »Wird Ihr Sohn auch erpresst?«
    Harm zögerte. »Es kommt mir so vor. Arne ist in letzter Zeit sehr
nervös. Aber ich will ihn nicht fragen. Und beeinflussen will ich ihn erst
recht nicht. Er muss selbst wissen, wie er damit umgeht. Man darf niemanden
zwingen, mutig zu sein. Außerdem habe ich Angst um meinen Sohn. Ich will nicht
schuld daran sein, dass ihm etwas zustößt.«
    Der Tag hatte unter einem kalten Licht begonnen, das sich
noch immer nicht erwärmt hatte. Es war ein Tag ohne Farben. Der Sommer war
schon zu verbraucht, um noch zu leuchten, der Herbst noch zu jung, um mit
seinen Farben über das Ende des Sommers hinwegzutrösten.
    Mamma Carlotta wanderte durch den Garten, die Noten, die sie am
Abend zuvor von Vera Ingwersen bekommen hatte, fest an ihre Brust gedrückt. Sie
fror. Und als könnten auch die schwarzbraune Haselnuss oder die Reisenden hoch
auf dem gelben Wagen eine Gänsehaut bekommen, schob sie die Noten unter ihre
Jacke und legte die Arme fest darüber. Wichtig fühlten sie sich an, und wichtig
fühlte sie sich selbst, seit man sie ihr ausgehändigt hatte.
    Sie hatte nie gelernt, Noten zu lesen, aber dass die auf den oberen
Linien für höhere Töne standen als die, die sich auf den unteren tummelten, war
ihr klar gewesen. Nun aber wusste sie auch, dass eine Note, die oben ein kleines
Fähnchen trug, kürzer gesungen wurde als die, denen das Fähnchen fehlte.
Faszinierende Erkenntnisse, die sie gern mit jemandem geteilt hätte.
    Sie warf einen langen Blick in den Nachbargarten. Zu dumm, dass Frau
Kemmertöns halbtags in der Kurverwaltung arbeitete und nicht zu Hause war. Am
Nachmittag hatte sie zwar immer viel zu tun mit ihrem Haushalt und den
Ferienwohnungen, die sie vermietete, aber Mamma Carlotta hätte darauf keine
Rücksicht genommen und ihr trotzdem erzählt, wie bewundernswert die Arbeit
einer Chorleiterin war, die sämtliche Stimmen im Kopf haben musste, mit der
linken Hand die Frauenstimmen und mit der rechten die der Männer dirigierte,
bis am Ende sämtliche Stimmen zu einem großen Akkord zusammenfanden. Eine
berauschende Erfahrung! Mamma Carlotta hatte bei jedem Schlussakkord eine
Gänsehaut bekommen. Welch ein Glück, dass bis zum Chorwettbewerb jeden Abend
geübt werden sollte!
    Von dem Solo, das Utta Ingwersen zum Besten gegeben hatte, war sie
allerdings enttäuscht gewesen. Von einer Frau, die an einem Konservatorium
Gesang studiert hatte und nach eigenen Angaben ein verhinderter Opernstar war,
hätte sie mehr erwartet. Doch als Utta Ingwersen zu »Amazing Grace« angesetzt
hatte, musste Mamma Carlotta an Arianna Spira, die Haushälterin des Notars,
denken, die bei einem Dorffest dieses Lied gesungen hatte und mit viel Beifall
bedacht worden war. Sie war überzeugt davon, dass Ariannas Sopran keineswegs so
schrill gewesen war wie Utta Ingwersens. Wenn deren Talent für eine große
Karriere ausgereicht hätte, dann hätte man Arianna raten sollen, den schlecht
bezahlten Job beim Notar an den Nagel zu hängen.
    Mamma Carlotta wurde in ihrer Ansicht bestätigt, als in ihrer Nähe
jemand flüsterte: »Die kann froh sein, dass ihre Schwiegertochter den Chor
leitet.«
    Es war die junge Frau aus der Muschel II, die sich ihnen eigentlich hatte anschließen wollen, als sie
zur Chorprobe in der Tanzschule Jäger aufbrachen, es dann aber vorgezogen
hatte, mit einem Abstand von zehn Metern hinter ihnen herzugehen.
    Â»Still, Susanna!«, zischte eine andere zurück. »Du hast dir oft
genug den Mund verbrannt.«
    Mit Carolin hätte sie beim Frühstück gern ausführlich den Abend
Revue passieren lassen, hätte über Vera Ingwersens Fähigkeiten als Chorleiterin
gesprochen, über das Gesangstalent ihrer Schwiegermutter, über die hübsche
Susanna, und dann wäre sie ganz unauffällig auf den blonden Jungen zu sprechen
gekommen, der Carolin am Ende der Chorprobe etwas zugetuschelt hatte, was Mamma
Carlotta zu ihrem größten Leidwesen nicht verstanden hatte. Nicht entgangen war
ihr jedoch Carolins verlegenes Lächeln. Ihre Enkeltochter hatte sich also
verliebt! Und dass ihre Nonna darüber genauestens unterrichtet werden musste,
verstand sich wohl von selbst!
    Doch Carolin musste

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