Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
Vom Netzwerk:
irritiert an. »Die Fotos sind erst vor ein paar Stunden
rausgegangen. Und außerdem brauche ich die Dolmetscherin.«
    Die Staatsanwältin erhob sich entschlossen. »Ich habe nach dem Abi
ein Jahr als Au-pair-Mädchen in Rom gearbeitet, Sie kommen also ohne die
Dolmetscherin aus. Jedenfalls, solange ich hier bin. Und dieser Girotti hat
Zeit genug gehabt, um herauszufinden, was es mit diesem Francesco Dingsbums auf
sich hat. Ich werde jetzt dort anrufen.« Sie streckte ihre Hand über Eriks
Schreibtisch. »Geben Sie mir die Nummer!«
    Erik blieb nichts anderes übrig, als ihr Girottis Nummer
auszuhändigen. Gern tat er es nicht. Es war ihm, als legte er mit der Nummer
den ganzen Fall in die Hände der Staatsanwältin.
    In diesem Moment klingelte Eriks Telefon. Die Staatsanwältin ging
mit dem Zettel in der Hand zur Tür. »Gehen Sie nur ran. Ich führe das Gespräch
nebenan.«
    Erik sah ihr seufzend nach, dann hob er den Hörer ab und meldete
sich. Einen Augenblick später sah sein Gesicht aus, als hätte er in eine
Zitrone gebissen. Zwei Augenblicke später öffnete sich sein Mund ganz langsam,
weil er nicht mehr Herr über seine Kaumuskeln war. »Was sagst du da?«
    Mamma Carlotta zögerte, als Käptens Kajüte in Sicht kam,
dann trat sie entschlossen in die Pedalen und fuhr daran vorbei. Es waren zu
viele Fragen in ihr, zu viel Erleichterung und gleichzeitig zu viel Bedrückung,
um sich jetzt einfach auf einen Barhocker zu setzen, einen Cappuccino zu
trinken und so zu tun, als wäre das Leben leicht oder als wäre es schwer.
Beides beschrieb den derzeitigen Zustand des Lebens nicht richtig. Die Frage
war, was überwog, Erleichterung oder Bedrückung. Tatsächlich war das Leben
leichter geworden in der letzten Stunde, wenn da nicht der Zweifel wäre, dieser
innere Widerstreit, der das leichte Glück zu Boden drückte.
    Um den Zweifel von der Erleichterung zu trennen, brauchte sie das
Meer. In Umbrien stieg sie in die Weinberge, wenn Sorgen sie drückten, auf Sylt
ging sie an den Strand. Der Blick brauchte die Weite, um sich von den
rumorenden Fragen zu lösen und dann mit einer Antwort zurückzukehren. So
funktionierte es – hier wie dort.
    Adriano Girotti war so sicher gewesen! Aber was, wenn er sich irrte?
Erik schien diese Möglichkeit nicht in Betracht zu ziehen. Er hatte jedes Wort
des Gesprächs, das sie telefonisch an ihn weitergegeben hatte, für bare Münze
genommen, und sie hatte sich wirklich darum bemüht, nichts hinzuzufügen, nichts
zu beschönigen oder zu dramatisieren. Natürlich hätte auch Mamma Carlotta gern
auf Girottis Aussagen vertraut, aber ihr war die Sorge um Sylt durch das
Gespräch mit ihm leider nicht genommen worden. Da war es ihr viel leichter
gefallen, daran zu glauben, dass Federica von der einfachen Küchenhilfe zur
Beiköchin aufgestiegen war und ihr Mann neuerdings nicht mehr täglich, sondern
nur an den Wochenenden betrunken war, wenn die Bar gut besucht wurde und das
Geld in der Kasse klingelte. Aber alles andere …?
    Ihr Gesicht war sorgenvoll, als sie am Ende der Seestraße vom
Fahrrad stieg, aber es glättete sich, nachdem sie die ersten Stufen der
Holztreppe hinabgestiegen war. Das Donnern der Brandung übertönte den Zweifel,
die Sonne, die gerade durch eine Wolkenlücke brach, wärmte sie, und eine
frische Bö pustete den Zwiespalt aus ihren Gedanken. Ja, ein paar Minuten am
Strand wirkten Wunder. Das Meer gab jedem das, was er brauchte.
    Fietje kontrollierte gerade mit wichtiger Miene die Kurkarten
einiger Jugendlicher, die über den Strand tobten. Sie winkte ihm zu, dann ging
sie bis zur Wasserkante, um den Strand hinter sich zu lassen. Die Brandung war
stolz, kräftig und laut. Mamma Carlotta blieb stehen und beschloss, nicht
zurückzuweichen. In einem geheimen Pakt mit dem Meer machte sie ab, dass sie
Girotti glauben wollte, sobald eine Welle über ihre Füße geschwappt war. Fünf
Minuten wollte sie warten, dann musste die Entscheidung gefallen sein.
Erleichtert atmete sie auf. Es tat gut, die Last der Entscheidung abzuwälzen.
    Mit Carolin würde das nicht so einfach sein. Die Verachtung, mit der
sie ihren Vater wegen eines kleinen Fehlers strafte, tat Mamma Carlotta genauso
weh wie Erik selbst. Der Arme hatte doch genug am Hals mit diesen Mordfällen!
Hatte er es nicht verdient, respekt- und liebevoll empfangen

Weitere Kostenlose Bücher