Tod im Dünengras
zu werden, wenn er
von seinem schweren Dienst heimkehrte? Dabei ahnte er vermutlich nicht einmal,
dass Carolins Ablehnung nicht die einzige Sorge war, die er sich machen sollte.
Wie gern hätte Mamma Carlotta mit Erik die Gefahren erörtert, die einem jungen
Mädchen drohten, das zum ersten Mal verliebt war. Vor allem, wenn der Freund
ein eigenes Zimmer hatte, in das niemals ein Elternteil eindrang, um für
Ordnung zu sorgen. Mamma Carlotta wusste seit dem Gespräch, das sie mit dem jungen
Mann während des Mittagessens geführt hatte, dass Vera Ingwersen ihm über dem
Restaurant ein Zimmer zur Verfügung gestellt hatte, wo er während seines
Praktikums wohnte. Wenn er dort den Schlüssel umdrehte, würde niemand an der
Tür pochen und sich erkundigen, was dort vor sich ging.
Doch bei all den Problemen, die Erik zurzeit hatte, durfte ihm kein
weiteres aufgeschultert werden, das sich ohne seine Hilfe lösen lieÃ. Und zum
Glück hatte die Stille in Carolins Zimmer nie länger angehalten, als zum Wenden
eines Notenblattes nötig war. Mamma Carlotta hatte sich in der Küche nicht
einmal leise verhalten müssen, um sicher sein zu können, dass dort oben nichts
geschah, was einer GroÃmutter den Schweià auf die Stirn trieb. Was sich
zwischen Carolin und ihrem Freund abspielte, war gottlob nicht zu überhören
gewesen. Die Erwägung, ob einer von ihnen ein Vöglein sei und auch zwei Flügel
hättâ, hatte durchs ganze Haus getönt. Felix war schon entnervt in die Küche
gekommen, noch ehe das Duo sich damit abfand, dass es allhier zu bleiben hatte.
»Ich kannâs nicht mehr hören!«, hatte er geflucht. »Was findet sie
nur an diesem Volkslieder-Fuzzi? An diesem ⦠Florian!«
Verdutzt hatte Mamma Carlotta die Tür angestarrt, die donnernd ins
Schloss gefallen war. »Ich dachte, sein Name ist Michael! Madonna, wie heiÃt er
denn nun eigentlich?« Sie musste aufpassen, dass Carolin sie demnächst nicht
genauso schlecht behandelte wie ihren Vater, nur weil sie ihren Freund beim
falschen Vornamen nannte.
In diesem Moment schwappte eine Welle über ihre FüÃe. Erschrocken
wich sie zurück, dann fiel ihr ein, dass sie einen Wink des Meeres erhalten
hatte. Adriano Girotti hatte also recht! Lächelnd schüttelte sie erst den
linken, dann den rechten Fuà und überlegte, ob sie mit nassen FüÃen in Käptens
Kajüte einkehren durfte. Aber da Tove nicht kleinlich war, wenn es um die
Reinlichkeit in seiner Imbiss-Stube ging, würde er die feuchte Spur, die sie
auf dem Weg zur Theke hinterlieÃ, vermutlich nicht mal bemerken.
Sie winkte Fietje noch einmal zu, dann stapfte sie durch den Sand
zur Holztreppe zurück. Zehn Minuten später klebte der feuchte Sand, der von
ihren Schuhen gefallen war, vor der Theke in Käptens Kajüte, aber Tove achtete
nicht weiter darauf. Allerdings ignorierte er auch seinen Lieblingsgast weitgehend.
Mamma Carlotta war gekränkt, weil ihr der Cappuccino hingeknallt wurde, als sei
sie ein gewöhnlicher Strandbesucher. Tove war verändert. Immer wieder blickte
er nervös zur Tür und kontrollierte den Inhalt seiner Geldtasche, die neben dem
Zapfhahn lag.
Als sich ein Kunde mit einem Schietwettertee ans andere Ende der
Theke verzog und ein anderer mit einem Hotdog die Imbiss-Stube verlassen hatte,
fragte Mamma Carlotta leise: »Ist was, Tove? Sie wirken ⦠molto nervoso.«
Doch er brummte etwas Unverständliches und schüttelte den Kopf.
Dabei sah er genauso aus wie in den seltenen Augenblicken, in denen er vom
Untergang seines Schiffes vor Gibraltar erzählte und wie er sich als Einziger
schwimmend an Land gerettet habe. Er log also. Warum? Er wusste doch, dass er
ihr vertrauen konnte.
»Sagen Sie schon, was ist los! Immer noch Angst vor der Mafia?«
Tove warf einen erschrockenen Blick zu dem einsamen Gast, der
schwermütig in seinen Schietwettertee starrte. Dann beugte er sich über die
Theke und flüsterte: »Das Schutzgeld war heute Mittag fällig. Sie kommen immer
um eins, wenn das Mittagsgeschäft im Gange ist. Die beiden essen dann eine
Bratwurst, und mit dem Wechselgeld muss ich ihnen das Schutzgeld
unterschieben.«
»Und heute sind sie nicht gekommen?«
Tove schüttelte den Kopf.
»Warum freuen Sie sich nicht darüber?«
»Freuen?« Er sah Mamma Carlotta entrüstet an. »Die Mafia ist
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