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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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und alkoholischen Getränken zu beschließen.
Schließlich war jemand aus ihrer Mitte geschieden, da schickte es sich
eigentlich nicht, fröhlich zu sein. Zögernd gingen sie die Treppe hinab, traten
vor dem Eingang zur Bar von einem Fuß auf den anderen, dann drehte sich der
Erste beherzt um und ging auf den Ausgang zu. Damit war die Entscheidung
getroffen, alle anderen folgten ihm mit ernsten Mienen und waren mit sich
zufrieden, weil sie die Pietät über das Vergnügen gestellt hatten.
    Mamma Carlotta blieb zurück und wartete auf Carolin und ihren
Freund, die auffällig langsam herantrödelten. Gerade wollte sie mit
unmissverständlichen Worten dafür sorgen, dass Carolin sich ihr anschloss, da
wurde sie von Vera angesprochen. »Sie sind sicher, dass Ihre Verwandte nichts
dagegen hat, unseren Chor zu verstärken? So kurz vor dem Wettbewerb?«
    Â»Sie wird sich freuen«, beteuerte Mamma Carlotta so eifrig, dass ihr
entging, wie Carolin die Gunst des Augenblicks nutzte und sich hinter zwei
Sylter Hausfrauen durch die Ausgangstür wand. In leuchtenden Farben schilderte
sie Giovannas Talent und ihre Freude am Gesang, bis Vera sie unterbrach: »Wenn
Ihre Verwandte vorher mit mir reden will – kein Problem. Ich werde den ganzen
Tag in der Perlenmuschel sein. Sie können mich dort anrufen, wenn Sie wollen.«
    Â»Ich könnte auch vorbeikommen!« Carlotta berichtete von ihrer
Schwiegertochter, der sie zum Geburtstag die gleiche Kette schenken wollte, die
Utta Ingwersen in der Stunde ihres Todes getragen hatte. »Ein silbernes
Kettchen mit einem Kreuz.«
    Vera runzelte die Stirn. »Ich kann mich nicht erinnern.«
    Â»Sie trug die Kette ständig, Ihr Schwiegervater hat es gesagt. Sie
hatte die Ketten für den Laden eingekauft und sich selbst eine davon genommen.«
    Zum Glück fragte Vera Ingwersen nicht nach, wie Mamma Carlotta zu
diesen Kenntnissen gekommen war. »Ich werde gleich morgen früh nachsehen.
Hoffen wir, dass noch nicht alle verkauft sind.«
    Mamma Carlotta überlegte kurz, ob es die Pietät verbot, auf den
Rabatt hinzuweisen, den Utta Ingwersen ihr versprochen hatte, aber noch ehe sie
zu einem Ergebnis gekommen war, hatte Vera sich schon verabschiedet und eilig
die Tanzschule verlassen.
    Mamma Carlotta folgte ihr, draußen sah sie sich suchend um. Auf der
anderen Straßenseite standen zwei Chormitglieder und unterhielten sich leise,
zwei andere bummelten die Straße hinunter, alle anderen hatten zügig den
Heimweg angetreten. Veras dunkler Mantel verschwand in der aufsteigenden
Dämmerung, von Carolin war nichts zu sehen. Wo mochte sie sein? In Mamma
Carlotta kroch erneut die Sorge hoch. Lucia, was soll ich tun?
    Zögernd ging sie zum Fahrradständer, wo das Rad auf sie wartete, das
früher einmal ihrer Tochter gehört hatte. Carolins Fahrrad stand nicht mehr
dort. Ein kräftiger Windstoß rüttelte am Lenker, als Mamma Carlotta das Rad aus
dem Ständer hob. Besorgt stellte sie fest, dass er aus der Richtung kam, in die
sie fahren musste, um nach Hause zu kommen. Sie zog den Reißverschluss ihrer
Jacke bis zum Kinn. Der Wind war eiskalt und feucht, er schmeckte, roch und
fühlte sich an, als käme er direkt vom Meer.
    Mamma Carlotta fuhr langsam, um gründlich nachdenken zu können. Am
besten würde es wohl sein, sich auf dem Parkplatz der Muschel II umzusehen und dort nach Carolins Fahrrad
zu suchen. Sollte es tatsächlich dort stehen, musste sie sich überlegen, wie
sie weiter vorgehen sollte. Vielleicht würde ihr etwas einfallen, was es
rechtfertigte, an die Zimmertür des jungen Mannes zu klopfen?
    Schon nach wenigen Metern hatte sie eine Idee. Carolin wusste noch
nicht, dass ein Familienmitglied ums Leben gekommen war. Zwar handelte es sich
nur um einen entfernten Angehörigen und noch dazu um einen, den Carolin nie kennengelernt
hatte, aber Francescos schreckliches Ende war Grund genug, Carolin unverzüglich
über diese Tragödie zu informieren. Während des Chorabends hatte Mamma Carlotta
davon abgesehen, weil niemand frohgemut die Lust des Müllers am Wandern
besingen konnte, der gerade von der Ermordung eines Verwandten erfahren hatte.
Jetzt aber war das etwas anderes. Und wenn der Ragazzo dafür kein Verständnis
hatte, war er ein grober Klotz und nicht gut genug für ihre Enkeltochter. Von
ihrem frischen Entschluss gestärkt stieg sie aufs Fahrrad und

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