Tod im Dünengras
Erde und machte zwei,
drei kleine Schritte. Dann blieb sie stehen und lauschte. Noch zwei Schritte,
und wieder horchte sie. Diesmal bekamen die Geräusche, die sie selbst
verursacht hatte, ein Echo. In der finsteren Ecke fiel etwas Hölzernes um,
sanftes Geraschel und knackende Gelenke zeigten, dass sich jemand erhob. Nun
gab es nur noch eins: Flucht!
Fest umklammerte sie die Schuhe, mit ein paar groÃen Schritten hatte
sie den Schatten des Hauses verlassen. Jetzt schnell auf die StraÃe! Dort war
es zwar heller, und für jemanden, der eine Waffe dabei hatte, würde sie ein gut
beleuchtetes Ziel abgeben, aber gegen alle anderen Gefahren konnte sie sich
dort besser zur Wehr setzen. Sie konnte schreiend davonlaufen und hoffen, dass
ihr jemand zu Hilfe kam.
Kopflos rannte sie weiter, nur auf ihr Ziel, die breite StraÃe und
die hellen Häuser, konzentriert, nicht mehr auf das, was ihr vor die FüÃe kam.
Und das war leider ein aufgerollter Gartenschlauch, der ihr unter die Sohlen
geriet und schlagartig ihre Richtung änderte. Ihre FuÃsohlen rollten nach
hinten weg, rissen den Rest ihres Körpers mit, und sie landete auf dem Wulst
des zusammengerollten Gartenschlauchs. Der federte ihren Sturz immerhin ab,
sodass sie gleich wusste, dass sie sich nicht verletzt hatte, aber das
beruhigte sie nur wenig. Wirklich erleichtert war sie erst, als eine Stimme
sagte: »Was machen Sie denn hier, Signora?«
Die Stimme der Staatsanwältin drang so dynamisch wie eh
und je durchs Telefon und auch genauso vorwurfsvoll. »Moin, Wolf! Ich hoffe,
Sie ruhen sich nicht aus, bis aus Neapel das Geständnis der beiden
Geldeintreiber kommt!«
Erik war empört über diese Unterstellung, aber leider kam er mit der
Schlagfertigkeit von Frau Dr. Speck genauso schwer zurecht wie mit ihren Anzüglichkeiten.
Daher hatte er gerade erst Luft geholt, als sie schon weiterredete.
»Ich habe Girotti übrigens vor einer halben Stunde angerufen. Es
wurde Zeit, dass denen mal jemand Dampf machte. Italiener eben!«
Auch an dieser Stelle war Erik nicht schlagfertig genug, um die
Staatsanwältin darauf hinzuweisen, wie ungern sich ein Ermittler von einem
AuÃenstehenden vorhalten lieÃ, dass er zu langsam arbeitete.
»Giulio Alviso und Lorenzo Follini behaupten übrigens, sie hätten
für den Mord an Francesco Corrado ein Alibi.«
»Was?«
»Angeblich haben sie die ganze Nacht im Gogärtchen verbracht.«
Nun lieà sie ihm Zeit genug, damit er wenigstens sein Erstaunen
ausdrücken konnte. »Wirklich die ganze Nacht?«
»Möglich wäre es immerhin. Angeblich hat das Gogärtchen zwischen dem
Biikebrennen und Ende Oktober so lange geöffnet, wie Gäste da sind. Open End
sozusagen! Ãberprüfen Sie das bitte, Wolf! Wenn das Alibi bestätigt wird,
können wir die beiden von unserer Liste streichen.«
»Gut, ich werde mich darum kümmern. Aber â¦Â«
»Aber?«
Erik wollte sich nicht auf den ungeduldigen Tonfall der
Staatsanwältin einlassen und zwang sich, langsam weiterzusprechen, wie es seine
Art war. »Aber warum sind die beiden noch am selben Tag abgehauen? Ohne eine
Spur zu hinterlassen? Woher wussten sie, dass Francesco tot ist?«
»Sie wussten es nicht. Aber es gab eine Verabredung zwischen ihnen.
Girotti hat mir das erklärt. Sie hatten vereinbart, dass sich jeder von ihnen
alle fünf Stunden bei den anderen meldet. Als Alviso und Follini aus dem Gogärtchen
zurückkamen, fiel ihnen auf, dass sie länger als fünf Stunden nichts von
Corrado gehört hatten. Sie haben in seiner Wohnung nachgesehen, da war er
nicht. Vorsichtshalber haben sie ihn dann noch auf dem Handy angerufen, aber er
nahm nicht ab. Damit war für die beiden klar, dass Francesco etwas zugestoÃen
war, und sie haben getan, was für diesen Fall verabredet war: Sie verschwanden,
nachdem sie sämtliche Spuren beseitigt hatten.«
»Beinahe sämtliche Spuren«, betonte Erik, der nicht unerwähnt lassen
wollte, dass einige Ermittlungsergebnisse auch ihm zu verdanken waren.
Aber die Staatsanwältin reagierte nicht darauf. »Haben Sie
mittlerweile die Ãffentlichkeit eingeschaltet? Ich habe im Pressedienst nichts
gesehen.«
»Ich habe mich dagegen entschieden«, sagte Erik mit fester Stimme.
»Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn die Sylter Bevölkerung etwas von der
Bedrohung durch die Mafia
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