Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
daß es fast schon keinen Spaß mehr machte.
Beim vierten Versuch hatte die Pfeife endlich Feuer gefangen.
„Daß Sie hier mit einer Dame verabredet sind.“
Des Verlegers Gesicht verkrampfte sich. Er mußte husten, unterdrückte es aber, weil ein Günter Grass bestimmt auch nie husten muß, weil ein Günter Grass sich solch sekundäre Sachen wie Pfeifenrauchen bestimmt ganz locker vom Hocker aus dem Ärmel schüttelt, genau wie das Tangotanzen nach richtig adressierten literarischen Nobelpreisverleihungen. Doch de Chriso arbeitete daran, er gab sich sichtlich Mühe mit dem Nichthusten, allein, es nutzte nichts. Das rundeste Gesicht, das die Welt je gesehen hatte, wurde rot und röter und drohte zu platzen. Tränen standen in den Augen. Herr Schweitzer fragte sich, wie man dermaßen bescheuert sein konnte.
Und wie das so ist, wenn man krampfhaft etwas zu unterdrükken versucht, es gewinnt die Oberhand, ob man will oder nicht. Nachdem Wilhelm de Chriso sich ausgehustet und die Tränen mit einer Serviette abgetrocknet hatte, suchte er den verlorenen Faden. Vergebens. Der gewiefte Taktiker Herr Schweitzer nutzte die Gunst der Stunde und der Verwirrung und fragte: „Sie sind doch Verleger?“
„Ja, und ob.“
„Sagen Sie mal, wie gründet man eigentlich einen Verlag?“
Dankbar ergriff de Chriso die Gelegenheit, das zu tun, was er am liebsten tat. Auf die Pauke hauen. Mit einer übertrieben lässigen Handbewegung deklamierte er: „Oh, das ist ganz easy. Einfach zum Gewerbeamt gehen und anmelden. Kostet keine zwanzig Euro, die Chose.“
Oh, dachte Herr Schweitzer, ist ja stark, Englisch kann der Typ auch noch. Er hatte Menschen noch nie gemocht, die andauernd glauben, Anglizismen verwenden zu müssen, nur weil das in gewissen Kreisen besonders hip ist. Absolut peinlich sind in dieser Beziehung oft Banker, die auf diese Weise mit ihrem Shareholder Value und Return on Investment intektuelle Überlegenheit demonstrieren müssen. „Das ist alles?“
„Right, that’s all.“
„Ach, übrigens … ich bin der Agent von Maria von der Heide. Sie läßt sich entschuldigen. Termine.“
Wilhelm de Chriso, in Literaturkreisen auch Krisen-Willi genannt, war von dieser Entwicklung überhaupt nicht angetan. Sein Kinnlade fiel herunter. Er war es gewohnt, seine Opfer allein durch die Aussicht, ihr Buch veröffentlicht zu sehen, zu ködern und nach allen Regeln der Kunst auszunehmen. Daß er hier einem Agenten, einem Profi also, gegenübersaß, verringerte seine Chancen auf Null, denn sein erklärtes Ziel war es ja, die Autoren bluten zu lassen, und ein Agent lebt nun mal von einer Beteiligung am Autorenhonorar, was Herr de Chriso aber noch nie gezahlt hatte. Und auch nie vorhatte. Er setzte da ganz auf die Eitelkeiten seiner Klientel. „Ach so“, war alles, was er hervorwürgte.
„Herr de Chriso, ich will es kurz machen, Frau von der Heide liegt bereits ein Angebot von einem anderen Verleger vor. Fünfzehn Prozent Honorar, sind Sie in der Lage, mehr zu bieten?“ Herr Schweitzer investierte viel Kraft, nicht zu grinsen.
Wenigstens einen stilvollen Abgang wollte de Chriso sich sichern. „Oh, too much. Die Höchstgrenze bei mir ist zwölf Prozent.“
Eigentlich hatte sich Herr Schweitzer vorgenommen, die Angelegenheit wie ein Gentleman zum Ende zu bringen, doch angesichts der dreisten Lüge, die ihm gerade aufgetischt worden war, sprach er: „Aber Willi, tz tz tz, glauben Sie allen Ernstes, es hätte sich in unserer Branche nicht längst herumgesprochen, wie Sie Ihre Autoren abzocken?“ So gerne er auch gewollt hatte, Herr Schweitzer konnte nicht anders, als noch einen draufzusetzen: „So Kreaturen wie Ihnen sollte man die Lizenz entziehen.“
Er erhob und entfernte sich. Es war alles gesagt. Am Montag würde Herr Schweitzer, sollte er da noch im Leben verweilen, einen Verlag gründen, um Marias Geiseldrama in Dribbdebach zu veröffentlichen, Geld war noch nie sein Problem gewesen. Hinter sich hörte er ein Lachen wie das Wiehern eines Pferdes. Hoffentlich verschluckt sich Krisen-Willi nicht, dachte Herr Schweitzer, obwohl ihm das, ehrlich gesagt, scheißegal war. Erst als er schon fast beim Ausgang war, fiel ihm auf, daß er gar nichts getrunken hatte. Ob der Wirt angesichts der Mafiaangelegenheit wohl ein bißchen neben sich stand? Immerhin war die russische Geisel noch immer in dessen Gartenhütte versteckt. Das ist bestimmt nicht beruhigend, dachte Herr Schweitzer und nickte Karl zu. Wie zuvor erwiderte
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