Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
tanzen, dachte Maria, sagte aber: „Damit du da auch hinkommst, hab ich dir schon mal einen schwarzen 3er BMW gemietet. Steht vor der Tür.“
„Danke, Schatz. Ich weiß, du willst nur mein Bestes.“
„Dein Bestes bin immer noch ich. Aber wenn der Herr auf wasserstoffperoxidbehandelte Hasen steht, nur zu, nur zu.“
„Ach nee, laß mal.“
„Jetzt halt still, ich bin noch nicht fertig.“
Und als Maria dann fertig war, sah Herr Schweitzer im Spiegel noch immer Herrn Schweitzer. Als er aber in Unterhose und probehalber aufgesetzter Schaffnermütze erneut hinsah, glaubte er sich im Darkroom der frivolsten aller frivolen Schwulenschuppen und allen Schwuchteln lief der Sabber runter. „Meinst du, ich kann so gehen?“
„Ich wäre neugierig, wie weit du kommst.“
„Der Nackte Jörg darf auch rumlaufen wie er will.“
„Stimmt. Und vom Bauch her käm’s auch hin.“
„Blödmann.“
„Blödfrau. So, mein Kleiner. Jetzt ziehen wir uns noch brav die Uniform an.“
Es war erschütternd. Herr Schweitzer hatte ein Parademannsbild in Paradeuniform erwartet, als er sich anzog. Was heißt anzog? Der Reißverschluß der Hose ließ sich gerade einmal zu einem Drittel schließen und der Abstand zwischen Knopf und Knopfloch seiner Jacke hätte größer nicht sein können, da half auch alles Luft-aus-der-Lunge-pressen nichts. Was so zehn Kilo doch alles ausmachen, dachte Herr Schweitzer. „Und was jetzt?“
„Sportstudio.“
„Sehr witzig.“
„Hast du Hosenträger?“
„Seh ich so aus?“
„Ja.“
„Oh, amüsiert sich die Dame sehr?“
„Ja“, wiederholte Maria und hielt sich die Hand vor den Mund. Klar, es war nicht der richtige Zeitpunkt dafür, aber was sollte man machen? Sie setzte sich auf den Toilettendeckel und lacht lauthals. „Weißt du, wie du aussiehst?“
Herr Schweitzer wollte es gar nicht erst wissen und schwieg grimmig.
„Wie Obelix als Legionär. Welche Größe, mein Herr? Mittel, hat Obelix gesagt, als er die Uniformgröße angeben mußte. Und weißt du noch, wie Obelix in Mittel aussah?“
Herr Schweitzer wußte. Wie ich.
„Komm, Simon, das kriegen wir schon hin.“
Mit zwei Sicherheitsnadeln wurde der Reißverschluß auf halber Höhe fixiert, eine dunkelblaue Unterhose kaschierte den farblichen Unterschied im noch offenen Teil des Hosenlatzes und obendrein mußte Herr Schweitzer einen hüftlangen Pullover anziehen. Bei dem Wetter, hatte er zwar erwidert, aber Maria kannte keine Gnade.
„Willst du vielleicht wie ein Lustmörder rumlaufen? Die buchten dich schneller ein als du gucken kannst.“
„Nicht, wenn ich hinter dem Nackten Jörg herlaufe.“
„Dann bekommst du eine Anzeige wegen sexueller Belästigung.“
„Von wem?“
„Vom Nackten Jörg natürlich.“
Doch mit der Jacke war nichts zu machen. Kurz erwog man, sie mit einer Kordel zusammenzuzurren. Aber das wäre ja noch auffälliger, also sah man davon ab. „Laß sie halt offen“, sagte Maria.
Herr Schweitzer begutachtete sein Spiegelbild. „Ach du liebes bißchen“, entfuhr es ihm.
„Es hätte schlimmer kommen können.“
Als Maria dann alleine im Bad zurückblieb, um das zu tun, was Frauen immer tun, wenn irgendwo ein Spiegel hängt, steckte sich Herr Schweitzer die Browning in den Bund unter seinem Pullover. Nur für alle Fälle, dachte er, dabei hätte er gut daran getan, mal nachzuschauen, ob sie überhaupt geladen war.
Der Abschiedskuß dauerte länger als sonst. „Mach’s gut, Simon, wir sehen uns nachher.“
„Davon gehe ich aus.“ Er haßte Abschiedsszenen. Abrupt drehte sich Herr Schweitzer um und lief die Treppe herunter. Erst eine Etage tiefer hörte er wie oben die Tür ins Schloß fiel. Kaum, daß er draußen war, schaltete er auf Autopilot. Die nun folgenden Handlungsabläufe waren auf seiner Festplatte gespeichert. Der Zeitplan war bis ins kleinste Detail ausgeklügelt. Nichts konnte mehr schiefgehen. Nichts durfte mehr schiefgehen, andernfalls Sachsenhausens Kneipenkultur mit Mann und Maus untergehen würde. Die Vergänglichkeit irdischen Lebens drang nicht in Herrn Schweitzers Bewußtsein.
Nach wenigen Metern schwitzte er bereits. Das Thermometer stieg hoch und höher, und er lief im Pullover rum. Unter den Ärmeln spannte die Jacke, was ihm bei der Anprobe nicht weiter aufgefallen war. Er wählte einen kleinen Umweg. Es wäre doch sehr töricht gewesen, ausgerechnet heute am Südbahnhof einem seiner ehemaligen Kollegen über den Weg zu laufen. Dem Straßenbahndepot
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