Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
dieser seinen Gruß mit einer lässigen Handbewegung.
Draußen wandte er sich nach rechts, um seinem Dealer einen Besuch abzustatten. Was sein Dopevorrat anging, pfiff er auf dem letzten Loch. Giorgio-Abdul, der zur Tarnung und gleichzeitiger Geldwäsche einen Dönerimbiß betrieb, ließ ihm die Wahl zwischen einem Kaschmir und einem Pakistani aus Chitral. Laut dem Italo-Tunesier törne ersteres diesmal extrem gut, es sei mit Abstand die beste Lieferung aus dieser Gegend seit langem. Herr Schweitzer nahm sich seines Dealers Empfehlung zu Herzen und legte hundert Euro auf die Theke. Nur für den Fall, jemand blickte zufällig durch das Schaufenster, bekam er eine Dose Cola ausgehändigt, so wie ein ganz normaler Geschäftsvorgang in einer seriösen Dönerbude eben auszusehen hatte.
Anschließend ging er zum Redaktionsbüro des Sachsenhäuser Käsblättchens und warf einen Brief ein, in dem Herr Melibocus, so der Name des verantwortlichen Redakteurs, angehalten wurde, am Sonntagabend nochmals dringend in seinem Briefkasten nachzuschauen, dort steckten dann detaillierte Informationen für die Story seines Lebens. Selbst wenn Melibocus es nicht für bare Münze nahm, so würde er mit Sicherheit den Briefkasten öffnen, Journalisten können nun mal nicht aus ihrer Haut, die Story ihres Lebens zu verschwitzen wäre eine Horrorvision ohnegleichen.
Danach lenkte Herr Schweitzer seine Schritte zum Depot am Südbahnhof. Dort stand er und erstrahlte in frischer Farbenpracht, der Ebbelwei-Expreß, geradenwegs so als könne auch er sich aufkeimender Frühlingsgefühle nicht erwehren. Der mit Aberglauben nichts am Hut habende Herr Schweitzer hauchte der alten Straßenbahn einen Handkuß zu, auf daß morgen um diese Uhrzeit die Gerechtigkeit triumphiert haben möge. Dann nahm er sein Handy aus der Tasche. Leider war der Akku leer. Daran muß ich mich wohl erst noch gewöhnen, dachte Herr Schweitzer daraufhin, ist doch bei seinem Festnetzanschluß die Energieversorgung integrativer Bestandteil der Funktionalität. Ferdi anzurufen war das Einzige, was noch zu erledigen war, dann konnte der Sonntag kommen. Im Rahmen dessen, was möglich war, hatte Herr Schweitzer seinen Teil der Vorbereitungen abgeschlossen. Morgen würde des einen Tod des anderen Leben bedeuten. Darauf lief es wohl hinaus, so hart das auch klingen mag, dachte Herr Schweitzer und ging nach Hause.
Wie vereinbart, übernachtete Maria heute bei ihm im Mittleren Hasenpfad. Das lag viel näher als Marias Villa am Südbahnhof, wo Herr Schweitzer in weniger als zwölf Stunden den schwersten Job seines Lebens antreten sollte. Die öffentlichen Verkehrsmittel fuhren sonntags nicht so häufig wie sonst und auf ein Taxi wollte sich Herr Schweitzer auch nicht unbedingt verlassen müssen, nicht an einem Tag wie diesem – Ferdi wurde ja erst später gebraucht, und den wollte Herr Schweitzer damit nicht auch noch belästigen, sollte der ruhig ausschlafen.
Herr Schweitzer war gar arg erstaunt, wie gelassen er die Dinge nahm. Nicht im mindesten war er aufgeregt. Maria hatte angeboten, die Nacht bei ihm zu verbringen, weil man davon ausgegangen war, das würde ihn beruhigen, ihm etwas von seiner Angst nehmen, von der sie erwarteten, sie müßte sich unweigerlich einstellen. Nun saßen sie im Schneidersitz auf seinem Bett und futterten Gummibärchen. Da Herr Schweitzer nichts sagte, schwieg Maria auch, denn es war sein Abend. Sie stellte sich ganz auf ihn ein, würde tun, was er wollte, denn schließlich war es ihr Liebster, auf den ein harter Tag wartete, der sich in Gefahr begab, auch wenn diese, objektiv betrachtet, eher gering war. Immer konnte noch etwas dazwischenkommen, irgendein blöder Zufall die gesamte Planung über den Haufen werfen. Maria hatte das Gefühl, ihrer beider Liebe zueinander noch nie zuvor so intensiv verspürt zu haben. Sie schürzte die Lippen zu einem Kuß, der von Herrn Schweitzer auch prompt kam.
Einige Stunden zuvor hatte Herr Schweitzer ihr von seinem Vorhaben erzählt, gleich am Montag einen Verlag zu gründen, um ihr Buch auf den Markt zu bringen. Maria hatte sich hocherfreut gegeben und sich von Herrn Schweitzer haarklein dessen Treffen mit diesem unsäglichen Verleger schildern lassen. Doch eigentlich hatte Maria das Buchprojekt bereits abgehakt, es war ihr schlichtweg egal, wer das Werk veröffentlichte. Von Natur aus war ihr eine Arbeit nur so lange wichtig bis sie damit fertig war. Dann erfüllte sie Genugtuung über das Gelingen, alles
Weitere Kostenlose Bücher