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Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)

Titel: Tod im Ebbelwei-Express (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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sichtlich. Jaja, dachte Herr Schweitzer, das kenne ich, denkst wohl, der Reisschnaps hat dir dein Hirn weggepustet. Besagter Asiate kommunizierte mit seinem Nachbarn, indem er ihm den Ellenbogen in die Rippen stieß. Aber der Nachbar war darob erst mächtig erzürnt, war ihm deswegen doch der Koffer auf die Füße geknallt, bis auch er das Sachsenhäuser Unikum sah. Was Herrn Schweitzer dann geboten wurde, ähnelte einer Reihe umfallender Dominosteine. Als auch die letzte Asiatin des Nackten Jörgs ansichtig geworden war, fingen die ersten bereits zu kichern an. Wer je Asiaten hat kichern hören, weiß, welch hohe Oktaven sie zu erreichen imstande sind. Das Kichern war bis rüber zum Südfriedhof zu hören. Statistisch gesehen hängen an jedem asiatischen Touristenhals eins Komma zwei drei Fotoapparate, Videokameras nicht mitgerechnet. Und diese eins Komma zwei drei Fotoapparate kamen nun dermaßen fix zum Einsatz, so daß einjeder Asiate des Nackten Jörgs nun wirklich nicht erwähnenswerte Vorderansicht in den Kasten bekam. Um etwaigen Fragen der Daheimgebliebenen vorzubeugen, wurde auch die Kehrseite des Objekts ins Visier genommen. Der splitterfasernackte Mann fühlte sich pudelwohl. Wie ein olympischer Athlet beim Zieleinlauf winkte er seiner neuen Fangemeinde zu, was abermals ein großes Gekichere hervorrief. Der livrierte Portier, der zum Kofferaufladen mit einem Wägelchen herbeigeeilt war, bedachte Herrn Schweitzer mit einem kumpelhaften Verschwörerblick.
    Als der Nackte Jörg an der Aral-Tankstelle um die Ecke gebogen war, rückten die Asiaten zusammen und begutachteten gegenseitig ihre Fototrophäen, die neue Technik macht’s möglich. Herr Schweitzer war sich sicher, dies war nicht die erste Begebenheit dieser Art, folglich dürfte der Nackte Jörg in asiatischen Fotoalben eine ähnlich dominante Rolle spielen wie etwa der Römer oder der Dom. Wurde Zeit, daß die Frankfurter Oberbürgermeisterin ihrem Amt gerecht wird und dem Nackten Jörg den Status eines würdigen Stadtrepräsentanten verlieh.
    Frohgemut hatte Herr Schweitzer seinen Weg fortgesetzt. Nun betrat er die Kladde. Am Tresen, genauer gesagt, in der Westkurve, wie der vom Eingang aus gesehene rechte Tresenabschnitt intern auch genannt wurde, hockten die üblichen Gestalten auf ihren Hockern, darunter auch ein wenig bekannter Schriftsteller, der in letzter Zeit in den unmöglichsten Klamotten herumlief, um irgendeinem schwer zu deutenden Image gerecht zu werden. Karl hantierte am Zapfhahn und grüßte Herrn Schweitzer, indem er kurz die Hand hob.
    Er entdeckte Wilhelm de Chriso an einem Tisch in der Nähe des Kücheneingangs. „Herr de Chriso?“ fragte Herr Schweitzer, obschon er wußte, daß dem so war.
    „Ja?“
    Herr Schweitzer war sich nicht sicher, ob der Verleger ihn kannte. Vom Sehen, vielleicht, das würde ihn nicht überraschen, Sachsenhausens Kneipenszene war außerhalb des heruntergekommenen Altstadtviertels doch eher überschaubar. Wer wie Herr Schweitzer viel unterwegs war, traf auf seinen Streifzügen unweigerlich auf bekannte Gesichter.
    Wilhelm de Chriso wirkte irritiert, hatte er doch eine Frau erwartet. Herr Schweitzer sagte nichts, sah seine ausgebuffte Taktik doch vor, de Chriso, der von sich glaubte, er sei die Antwort auf alle Gebete, nervös zu machen. Wortlos setzte sich Herr Schweitzer und suchte sofort Augenkontakt.
    „Entschuldigung, Herr …“
    „Schweitzer, mit tz, wie der Tropenarzt in Lambarene.“
    „Herr Schweitzer, ich glaube nicht, daß wir uns kennen. Außerdem bin ich mit einer Dame verabredet.“ Noch während er sprach, begann er, seine Günter-Grass-Pfeife zu stopfen.
    Herr Schweitzer indes betrachtete die Bilder an der frischgestrichenen, zartvioletten Wand, die von dezenten Strahlern in ein angenehmes Licht getaucht waren. Natürlich nahm er weder Farbgebung noch Motiv wahr, denn sein Streben war einzig und alleine darauf ausgerichtet, diesem Möchtegern von einem Literaten die Flausen aus dem Kopf zu treiben. Dabei hätte es sich durchaus gelohnt, stammten die Ölgemälde doch von dem einzigen der sich hier zum Stammpublikum zählenden Künstler, der wirklich was drauf hatte. Die anderen glaubten in ihrer Einfalt bloß, sie wären von den Göttern mit Talent gesegnet. Als Herr Schweitzer meinte, genügend Zeit sei verstrichen, erklärte er ausführlich: „Ich weiß.“
    „Was wissen Sie?“ wollte de Chriso wissen.
    Na also, dachte Herr Schweitzer, klappt doch prima, der Typ ist so doof,

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