Tod im Ebbelwei-Express (German Edition)
konnte, beendete Semmler im Schoppepetzer die Abrechnung mit seinem Chef Günther.
Semmler, bestehend aus vier Kugeln – Kopf, Bauch, zwei Pobacken –, war in den letzten Jahren beharrlich von einer quasi Küchenschabe zum verantwortungsvollen Apfelweinausschenker emporgestiegen, und als solcher hatte man gegen Mitternacht Feierabend. Das, fand Semmler, waren die Dinge, die das Leben lebenswert machen, und so lenkte er seine Schritte des Pläsirs wegen noch ins Weinfaß. Das war ein eher unüblicher Vorgang, da er ansonsten doch den Frühzecher bevorzugte, der zudem auch noch viel näher lag. Aber in letzter Zeit war ihm dort eine Laberbacke auf die Pelle gerückt, die ihm das Ohr abquatschte und sich auch nicht von Semmlers abweisender Haltung abschrecken ließ. Ein paar klärende Worte seinerseits hätten das Problem sicherlich lösen können, doch war er ein sehr harmoniebedürftiger Mensch, der nur äußerst ungern andere Menschen in ihre Schranken verwies. Und das Weinfaß war immer eine Reise wert, zumal er längere Zeit nicht dort gewesen war.
So wurde die ohnehin schon heitere Harmonie des Abends um den Auftritt Semmlers bereichert.
„Ach, Schau daah naah“, schwäbelte Semmler spaßeshalber, als er hereinkam, „Maria und Simon auch mal wieder hier.“
Das war natürlich eine ausgemachte Platitüde, waren die beiden doch Stammgäste und Semmler derjenige, welcher hier nur, selten vorbeischaute. „Und der Weizenwetter. Geht’s uns wieder gut?“
Weizenwetter verstand es zwar akustisch, nicht aber inhaltlich. Von gestern hatte er einen kleinen Filmriß und das ließ schlimmste Befürchtungen aufkeimen. „Hä?“
An dieser Stelle müssen wir uns die Zeit nehmen und den Auswärtigen erklären, daß dieses Hä? eine typisch Frankfurter Aufforderung ist, Gesagtes zu wiederholen und doch bitteschön eingehender zu erklären. Und auch in der Kürze der Frage liegt keine Unhöflichkeit, das sollte man unbedingt wissen.
Und Semmler als geborener Frankfurter kam dem auch umgehend nach: „Gestern, beziehungsweise heute früh, bist du doch im Frühzecher vom Hocker gefallen. Hast du dir dabei nichts weh getan?“
„Ich soll gestern noch im Frühzecher gewesen sein?“
Uschi: „Da war mein Schatz wohl dibbedabbezu, was?“
Weizenwetter klang einsilbig: „Aha.“
„Das macht doch nichts, ich hab dich trotzdem lieb“, säuselte Uschi.
Fehlt nur noch, dachte Herr Schweitzer, daß sie Weizenwetter
Mein lieber kleiner Schnucki
nennt.
Aber auch so kam es faustdick von Uschi: „Wenn mein Mausespeckchen nicht immer so viel trinken würde …“
Herr Schweitzer blickte in Semmlers Augen und sah darin die Frage aufblitzen, wo um alles in der Welt Weizenwetter dieses abartige Dummchen aufgegabelt hatte. So was gehört doch in die Hoppla. Und Weizenwetters Stil entsprach sie auch nicht.
Herr Schweitzer grinste.
Semmler grinste zurück.
Maria und Karin, zwischen denen sich eine ähnlich nonverbale Kommunikation abgespielt hatte, grinsten ebenfalls.
Nur Weizenwetter in seiner alkoholbedingten Einfalt wirkte, als wäre Uschis Verhalten sozialverträglich.
Bertha brachte Semmlers Bier und malte ein Kreuz auf den Filz.
Zwanzig Minuten später hatte Weizenwetter Schluckauf und zwei junge Leute betraten das Weinfaß, die Herr Schweitzer schon mal gesehen zu haben glaubte.
Aber es war Semmler, der bemerkte: „Die kenne ich doch.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Paßt auf, die bestellen gleich ein Glas Wasser.“
Herr Schweitzer erinnerte sich, es waren zwei der vier, die hier vor geraumer Zeit schon mal waren.
Natürlich gab man sich Mühe, nicht allzu aufdringlich auf die Neuankömmlinge zu starren. Allerdings verhinderte die Spannung, die Semmlers Vermutung verursacht hatte, auch eine Wiederaufnahme des Gesprächsfadens.
Und tatsächlich brachte Bertha den beiden kurz darauf ein kleines Glas Wasser.
„Seht Ihr“, sagte Semmler und strich sich gedankenverloren über die Glatze.
Obwohl es scheinbar nur eine Lapalie war, wollte Herr Schweitzer Näheres wissen: „Und woher kennst du die?“
„Die waren schon öfter im Schoppepetzer. Manchmal waren sie auch zu mehreren. Und immer nur ein oder zwei Wasser für alle. An und für sich ist mir das ja scheißegal, wieviel jemand verzehrt, nur hin und wieder ist’s auch ärgerlich. Wenn der Laden brummt, zum Beispiel. Aber so lange mein Chef nichts sagt, soll’s mir auch egal sein.“ Sprach’s und nahm einen tüchtigen
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