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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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siebziger Jahren waren alle Äußerungen, die auf Inzest deuten konnten, ganz sicher Inzest. Und in Arnes Fall gab es überhaupt keinen Zweifel, es gab ja schließlich das Bild als Beweis! Die Psychotherapeuten, die, wie es in jener Zeit üblich war, zu Wochenendkursen in die USA fuhren, kamen als erweckte Propheten zurück, um den Armen, die immer noch im Dunkeln tappten, die echten Wahrheiten über den Menschen zu vermitteln.
    Ihnen war nichts Menschliches mehr fremd.
    Arnes Psychologin hatte auch einen Kurs besuchen dürfen, war aber nur bis Enköping gekommen. Nichtsdestoweniger wollte sie ihre Einsichten in der Praxis anwenden. Deshalb setzte sie die Waffe ein, die ihr zur Verfügung stand – die Brust. Sie meinte, Arne solle noch mal richtig klein sein dürfen, regredieren, und wenn es nötig sei, würde sie ihn auch stillen. Sie hatte verschwitzte Hände, glänzende Augen und stellte ihm mit schleppender Stimme Fragen. Obwohl er noch so klein war, witterte er Lüsternheit und eine Anspannung zwischen den erwachsenen Frauen. Ein Spiel, in dem er nur der Ball war und die Regeln nicht begriff. Cecilia antwortete an seiner Stelle, wenn seine Antwort nicht den Erwartungen entsprach. Er bekam Aufmerksamkeit. Und er mußte sie teuer bezahlen. Wenn er richtig antwortete, lächelte sie, und ihm wurde ganz warm. Wenn er gewußt hätte, welchen Preis dieses Lächeln hatte, hätte er einfach nur geschwiegen. Doch schon der Gedanke daran, akzeptiert zu werden, war jede Aufnahmeprüfung wert. Er verkaufte seinen Großvater.
    »Ist es schon mal passiert, daß dein Großvater … dich angefaßt hat?« Das konnte er nicht verneinen. »Hat er dir Schläge angedroht, wenn du nicht … gemacht hast, was er wollte?« Na klar, das kam vor. Er schwieg und erinnerte sich, wie er einmal die Legosteine nicht hatte aufräumen wollen und dafür geschlagen worden war. Einmal hatte er an der Wand von Henriks Hühnerhaus Eier zerschmissen und dafür eine Ohrfeige bekommen. Das war beschämend, und das mußte sie deshalb nicht unbedingt erfahren.
    Anselm war zu einem Gespräch gerufen worden. Danach hatte er seinen Großvater sehr lange nicht sehen dürfen, erst wieder, als er halbwüchsig war. Da war das allgemeine Interesse an Cecilias Güte abgekühlt, und ihre Geduld mit ihm hatte im selben Maße abgenommen.
    Das war in den achtziger Jahren, man sollte sich selbst verwirklichen und lernen, nein zu sagen. Sie schaffte sich den Welpen an, den sie von Anfang an gewollt hatte, einen Boxer, und zog zu der Freundin vom Hundverein. Also war er frei gewesen zu gehen. Mona hatte Wilhelm kennengelernt. Die Zwillinge sollten mit der Schule anfangen. Anselm weigerte sich ganz und gar, sich mit ihm zu beschäftigen. Jetzt, als Erwachsener, konnte er besser verstehen, warum.

    Arne Folhammar schloß die Tür zum Saal für Frühgeschichte nach dem letzten Besucher. Ein sanfter Wind wehte über die Strandgatan und trug die Düfte der Restaurants mit sich. Festliche Stimmung und Erwartung lagen in der Luft. Lachende und redende Menschen in hellen Sommerkleidern schlenderten vorüber. Er hatte sich so oft danach gesehnt, Birgitta das alles zu erzählen, aber in seinem tiefsten Innern wußte er, daß er es nie tun würde.
    »Nach altem Recht darf die Brautkrone ja nur von einer Jungfrau getragen werden«, hatte die Badefrau gesagt, die alte Hexe, und mit einem schrumpligen Finger auf den empfindlichsten Punkt in ihrer Beziehung gezeigt. Und um sich weitere Kommentare zu ersparen, hatte er Birgitta betrogen. »Dann wird sie wohl verrosten müssen.«

10
    Kriminalinspektorin Maria Wern betrachtete die Skulptur im Eingangsbereich des Polizeihauses, während sie auf Hartman, Arvidsson und Ek wartete. Sie hatten sich für zwölf Uhr verabredet, um außerhalb des Büros etwas zu Mittag zu essen. Ek hatte ein stilvolles Restaurant gefunden, das »Rosengården«. Dort bekam man Lammkoteletts und Safranpfannkuchen mit Sahne, Kratzbeerenkompott und in Schokolade getauchte Weintrauben. Das Restaurant lag direkt bei der Ruine von Sankta Carin am Hauptmarkt, Stora Torget. Doch die drei ließen auf sich warten. Maria schaute auf die Uhr, sie waren eine Viertelstunde verspätet. Hartman hatte schon angekündigt, daß er möglicherweise später kommen würde, aber wo waren Arvidsson und Ek? Es war fraglich, ob sie es überhaupt in die Stadt schaffen würden.
    Maria drehte eine Runde durch die Eingangshalle und blieb dann wieder vor der Skulptur stehen.
    »Was weiß der

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