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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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viel zu reden gehabt. Seine Fähigkeiten lagen woanders.
    Nach dem mißglückten Abendessen hatte er mehrere Monate nicht mit Birgitta gesprochen. Ein paar Mal sah er sie im »Gutekällaren« zusammen mit Ritter Olov, dem Ritter vom Goldenen Schwert, wie er bei den Turnierspielen genannt wurde. Ein schönes Paar. Mit ihrem langen hellen Haar sah sie aus wie eine mittelalterliche Jungfrau. Sie trug oft ein weißes langes Kleid mit gewagtem Ausschnitt und einen mittelalterlichen Goldschmuck mit Rankenornament um den Hals. Kostbar, aber nicht undenkbar, da ihr Vater schließlich Goldschmied war. Sie selbst verkaufte an einem Stand auf dem Stora Torget Schmuck. Einfache, gewalzte Kopien, wie er festgestellt hatte, als er in der Menschenmenge einmal eilig vorbeigelaufen war. Die Sachen paßten wohl nicht in die vornehme Goldschmiede. Es waren ein paar ungewöhnliche Modelle dabei, doch handelte es sich nicht um ausgefeilteres Handwerk.
    Er schaute sie gern an, wenn sie lachte, redete und tanzte. Es war so viel Leben in ihr, so viel Intensität. Die Hände begleiteten ihre Worte, die Augen spielten. Die Haare blitzten bei jeder Bewegung in der Discobeleuchtung. Das weiße Kleid ließ sie in dem blauen Halbdunkel sichtbar werden. Es war kein Zweifel, wer die Königin des Abends war.
    Eines Nachts im Juni klopfte es an sein Fenster. Das war im Grunde genommen nichts Ungewöhnliches, wenn man nicht wie er im zweiten Stock wohnte. Er hatte eine Mandelentzündung mit vierzig Grad Fieber und reagierte nicht gleich. Als es zum vierten Mal klopfte, schob er die Beine über die Bettkante, stand auf und spürte, wie ihm schwarz vor Augen wurde. Aber er schaffte es bis zur Balkontür, wo er hinter der Glasscheibe eine verschwommene Gestalt wahrnahm.
    »Darf ich reinkommen?« fragte Birgitta, nachdem er sie eine Weile blöde angestarrt hatte. Als sie über die Schwelle trat, merkte er zu seinem Unbehagen, daß das Zimmer nach Schweiß und schlechtem Atem roch. »Willst du gar nicht fragen, was ich hier mache?« fragte sie.
    Er kroch, ohne zu antworten, ins Bett.
    »Bist du krank oder was?«
    Er fragte sich im stillen, was wohl »oder was?« sein könnte, schaffte es aber nicht zu fragen. Sie setzte sich unaufgefordert auf das Fußende des Bettes, zog die Beine an und legte den Kopf so auf die Knie, daß das helle Haar wie ein Mantel um sie fiel. Es behagte ihm nicht, sie so in seiner Nähe zu haben, doch er war nicht imstande, darüber nachzudenken, was hier wohl von ihm erwartet wurde.
    »Hat man nicht das Recht, Jungfrau zu sein?«
    War er im Fieberwahn? Oder sie? Soeben durch die Balkontür hereingeflogen und jetzt auf sein Bett gekauert, wirkten ihre Worte so, als würden sie eigentlich in einen anderen Zusammenhang gehören.
    »Wie bitte?«
    »Findest du es in Ordnung, wenn eine Frau ihre Unschuld bis zur Hochzeitsnacht bewahren will?«
    Er versuchte darüber nachzudenken, mußte dann aber aus reiner Anstrengung eingeschlafen sein.
    Als er aufwachte, war es hell im Zimmer, die Balkontür stand offen, und die dünne Sommergardine flatterte im Wind. Es roch nach frischem Brot und Kaffee. Auf dem Nachttisch stand ein Glas Wasser neben einer Schachtel Aspirin. In der Dusche rauschte es. Er setzte sich schlaftrunken und mit einem Gefühl der Erwartung auf, ja genau, so war es. Das Gefühl, daß nichts mehr so sein würde wie vorher. Sie sang da drinnen. Er erkannte einige Strophen aus dem Freilichtspiel »Petrus de Dacia«: »Ave Maris Stella …« Laute stimmungsvolle Melodien. Leider war die Akustik nicht so gut. Jetzt schwieg sie. Als er ihre Schritte im Flur hörte, tat er so, als würde er schlafen.
    »Möchtest du Rhabarbercreme? Glaubst du, daß du das schlucken kannst?« Er blinzelte vorsichtig mit einem Auge und lächelte.
    »Ja, gern.« Sein Morgenmantel war ihr viel zu groß. Ein Geschenk von Eva, oder war es von Gunilla? Der rote Samt schleifte hinter ihr her, als sie in die Küche schritt. »Ich mag keine zu flüssige Creme und du? Hast du Kartoffelmehl? Ich finde, die Creme sollte den Katzentest bestehen. Wenn eine Katze über die Creme laufen kann, ohne mit den Pfoten einzusinken, dann ist sie in Ordnung. Hast du eine Rasierklinge?«
    »Wohnst du jetzt hier?«
    »Vielleicht. Olov hat noch den Schlüssel zu meiner Wohnung und kann jederzeit rein. Das will ich aber nicht. Ich bin einfach abgehauen. Ich war so wütend auf ihn. Er hört einfach nicht zu, wenn ich etwas sage. Übrigens, als ich in deinem Badezimmer nach

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