Tod im Jungfernturm
normaler Belastung gewesen sei, denn schließlich habe sie die ganze Zeit die Verantwortung für alles getragen, was die anderen sagten oder nicht sagten und was sich auf dem Band niederschlagen würde. Maria ahnte, daß es eine Weile dauern würde, ehe sie ihren Mann wiedersah. Wenn Krister in jedem Detail moralische Unterstützung darstellen sollte, dann würde die Sache mit Überweisung, Untersuchungen und Wartezeiten im Krankenhaus sicher den größten Teil der Ferien beanspruchen.
»Ihr seid spät dran.« Maria sah von Arvidsson zu Ek.
»Von der Fähre nach Nynäshamn ist ein Mann verschwunden«, antwortete Arvidsson. »Ein Selbstmord ist nicht auszuschließen. Als sie in Nynäshamn festgemacht hatten und die Autopassagiere runterfahren sollten, stand ein weißer Opel im Weg. Manchmal kommt es ja vor, daß die Passagiere in ihren Kabinen verschlafen und nicht rechtzeitig runterkommen, aber das hier war etwas anderes. Sie mußten den Wagen wegheben, um genug Platz für die Autos zu haben, die die Fahrt zurück gebucht hatten.«
»Ein Kollege aus Nynäshamn hat angerufen und erzählt, daß der Autoschlüssel und eine Kappe beim Hafenterminal abgegeben worden seien. Die Kabine, die er hatte, ist jetzt verplombt, aber die Putzfrau hat leider das meiste Bettzeug schon abgezogen. Soweit sie sich erinnern konnte, war das Bett gemacht. Möchte jemand einen Kaffee nach dem Essen?« fragte Ek.
»Könnte der Fahrer womöglich vergessen haben, daß er ein Auto hat, und zu Fuß von der Fähre gegangen sein? Vielleicht hatte er sich an der Bar erfrischt?« Hartman sah sehnsüchtig auf Arvidssons Pommes frites und rief hinter Ek her, daß er einen Kuchen zum Kaffee wolle. Trygvesson wollte keine Süßigkeiten.
Maria betrachtete den älteren der kleinen Jungs, der sich als Scharfschütze auf die wohlgenährten Tauben übte, die vollgefressen zwischen den Tischen umherwanderten. Indem er ein Nasenloch mit Pommes frites lud, das andere Nasenloch mit dem Zeigefinger zuhielt und dann schnell schnaubte, schaffte er es, eine Taube auf den Kopf zu treffen. Gut gezielt, fand Maria. Eklig, fanden die anderen Besucher von McDonald’s, ihren Mienen nach zu urteilen. Die Eltern sahen sich an und winkten einen Clown zu sich, der Ballons und Wimpel austeilte. Mit seiner neuen Waffe verfolgte der Junge jetzt weiter die Tauben, und sein kleiner Bruder tat es ihm nach. Die Ballons schlugen auf den Boden, und die Vögel flatterten erschrocken auf die sichere andere Straßenseite. Jetzt waren sich die Jungen zumindest einig.
»Man hat ein Paar abgenutzter, aber blankgeputzter Schuhe an Deck gefunden, und zwar unter einem Rettungsboot an der Stelle, wo es ein Tor in der Reling gibt. Die Personalkabinen liegen gleich gegenüber, doch niemand hat etwas gesehen. Die Polizei von Nynäshamn hat die Küstenwache alarmiert. Viel Hoffnung gibt es wohl nicht, aber die Seenotrettung ist mit Boot und Helikopter raus. Das Wasser ist warm, und das Meer liegt ruhig da«, berichtete Arvidsson.
»Gibt es Buchungslisten an Bord?« fragte Maria.
»Nein, jetzt nicht mehr.« Trygvesson schüttelte den Kopf und zupfte sich an der Unterlippe. »Es gab offenbar immer wieder Probleme, wenn irgendwelche Passagiere andere treffen wollten, die eine Kabine hatten. Und die in ihrer Kabine wollten nicht immer gestört werden, und so geriet das Personal an der Rezeption regelmäßig in Schwierigkeiten. Sollte man die Kabinennummer nun rausgeben oder nicht? Deshalb hat man irgendwann beschlossen, die Buchungslisten nur noch im Terminal aufzubewahren.«
»Kann man sehen, wer welche Kabine hat?«
»Ja, beim Einchecken erhalten die Passagiere, die im voraus gebucht haben, ihre Kabinennummer. Die ist dann immer noch im Computer. Wird die Kabine an der Rezeption direkt gebucht, dann muß man den Namen nicht angeben. Aber wir hatten Glück. Kabine Nr. 8032, wo man den Autoschlüssel fand, war auf der Liste und ist von Wilhelm Jacobsson gebucht worden. Wir haben auch das Kraftfahrzeugregister schon überprüft. Der Opel gehört ihm.« Trygvesson verstummte, als Ek mit dem Kaffee kam.
Die Sonne brannte, und die Hitze drückte sich unter die Sonnenschirme. Maria fragte sich, warum sie eigentlich nichts Kaltes zu trinken bestellt hatte, aber die Macht der Gewohnheit war einfach zu groß. Einmal koffeinabhängig, immer koffeinabhängig.
Es war seltsam, in einer Stadt zu sitzen, die so offenkundig vom Mittelalter geprägt war, und dann Hamburger bei McDonald’s zu essen. Von
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