Tod im Jungfernturm
Computer eigentlich von uns Menschen?« lautete die Inschrift auf Pye Engströms Kunstwerk. Auf der einen Seite der Skulptur wuselte es von Lebewesen, kletternden und kriechenden Menschen im unvorhersehbaren Wirrwarr des Lebens. Auf der anderen Seite des weißen Marmorcomputers standen steife, gleich aussehende Figuren in einer Reihe. Ein sinnvoller Gedanke, wenn man im Verbrecherregister recherchierte. »Was weiß der Computer eigentlich von uns Menschen?«
Maria setzte sich in einen der weinroten Sessel und wartete. Sie war hier als Ermittlerin bei der Kripo gut aufgenommen worden. Ihr Schreibtisch stand eine Treppe höher im selben Zimmer wie der von Hartman. Ek und Arvidsson hatten sich für den Außendienst beworben und waren auf dem Polizeirevier Visby gelandet. Abgesehen von Visby gab es noch Slite im Norden und Hemse im Süden, doch nur das Revier in Visby war nachts besetzt. Das paßte Ek ausgezeichnet, denn er war ein ausgeprägter Nachtmensch. Arvidsson fand das nicht so großartig, vor allem nicht, als er von den erweiterten Öffnungszeiten der Kneipen von zwei bis vier Uhr morgens hörte. Zwei Stunden mehr Gelegenheit für die Leute, sich zu besaufen, meinte er. Und noch weniger Stunden, um wieder nüchtern zu werden, ehe man zur Arbeit gehen muß. Die Bewohner der Innenstadt hatten auch schon protestiert, während die Befürworter des Beschlusses meinten, hierdurch den Schlaf der Stadtbewohner schonen zu können. Schließlich mußte es doch besser sein, wenn die Leute nach und nach die Lokale verließen, als wenn alle um zwei Uhr nach Hause gingen.
Kommissar Trygvesson durchquerte die Eingangshalle mit wenigen Schritten. Er sah aus wie ein polnischer Bodyguard in Zivil, fand Maria. Ein paar Jahre jünger als Hartman und sehr kompakt. Rasierter Schädel, Bartstoppeln schon nach einem halben Tag und Rollkragenpullover mit locker sitzendem Kragen. Kein Jackett. Seine Augen waren sehr blau. Maria hörte, wie er mit dem Auszubildenden am Empfang sprach. Man konnte seinen Ärger deutlicher hören als seine Worte. Die Frage des Auszubildenden und dann Trygvessons brummige Antwort: »Zu meiner Zeit mußte man lernen zu arbeiten.«
»Wieso im Vollzug, aber ich sollte doch in den Außendienst«, sagte der Auszubildende verzweifelt.
In diesem Moment wurde Trygvesson sich Marias Gegenwart bewußt. Er suchte sich durch eine Geste ihrer Zustimmung zu versichern, aber Maria unterstützte ihn nicht.
»Die Trauben sind mir zu sauer, sagte der Fuchs«, brummte Trygvesson. »Warten Sie auf die Jungs vom Festland?«
»Ja, haben Sie sie gesehen? Wir wollten zum ›Rosengården‹. Haben Sie schon gegessen? Wenn Sie Zeit haben, kommen Sie doch mit uns«, sagte Maria und stand auf. »Ich hätte noch eine Reihe von Sachen, die ich mit Ihnen abstimmen möchte.«
»Vielen Dank, gerne, aber es wird sicher noch eine Viertelstunde dauern, bis die da sind. Dann bleibt uns nur die Cafeteria oder McDonald’s.«
Und es wurde McDonald’s. Für Hartman und Maria das Salatmenü, und für die anderen den Big Mac mit Pommes frites und Cola. Sie setzten sich nach draußen ins Östercentrum, ganz hinten in die Ecke zur Straße hin. Zwei Tische weiter saß eine Familie mit zwei übermüdeten kleinen Jungen, die unter dem Tisch, um den Tisch und über die Knie der Erwachsenen rutschten.
»Er hat mich geärgert!«
»Das habe ich nicht, du Blödmann.«
Maria dachte an ihre Kinder Emil und Linda und hatte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Bestimmt waren sie gerade in der Ferienbetreuung. Und Krister saß sicher bei seiner Mutter im Krankenhaus, denn er hatte versprochen, daß er sie hinfahren würde. Man mußte sich schließlich Respekt verschaffen, und da war es besser, mit Sohn und Ehemann im eigenen Auto zu kommen, als mit dem Krankenwagen zu fahren, fand ihre Schwiegermutter. Deshalb hatte Krister die Kinder abgegeben. Am Tag zuvor war Gudrun Wern mit einem Dauer-EKG herumgelaufen, weil man herausfinden wollte, wie das Herz bei normaler Anstrengung funktionierte. Sie hatte sich darauf versteift, daß es über ein Aufnahmegerät funktionierte. Deshalb war sie den ganzen Tag herumgelaufen und hatte versucht, alle Leute in ihrer Umgebung zum Schweigen zu bringen, weil sie glaubte, daß alles, was gesagt wurde, auch aufgenommen würde. Sie meinte, es sei nur ganz wenig Lärm erforderlich, um das vorsichtige Pochen des Herzens zu übertönen. Deshalb sollte Krister mitkommen und dem Doktor erklären, daß das keineswegs ein Tag mit
Weitere Kostenlose Bücher