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Tod im Jungfernturm

Tod im Jungfernturm

Titel: Tod im Jungfernturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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unordentlich. Sie pflückte einen kleinen Ast aus dem Haar. Wohin sollte sie sich wenden? Wie hatte das passieren können?
    »Kommste jetzt mal bald? Wie lange muß man hier aufm kalten Boden liegen?« Seine Stimme klang nicht so scharf wie sonst. Wahrscheinlich schämte er sich ein wenig, weil er sich schmutzig gemacht hatte. Derlei Höflichkeit hielt nicht lange vor, aber man mußte für alles dankbar sein. »Hat er Flundern gefangen?«
    »Was?«
    »Wilhelm?«
    Wilhelm. Großer Gott, was hatte sie getan! Wenn sie nicht so entsetzlich feige gewesen wäre, hätte sie sich geweigert mitzuhelfen. Die Polizei konnte jederzeit kommen und nach ihm fragen. Was sollte sie nur tun? Was sollte sie denen antworten? Schon bald würden sie hier sein, und dann würde sie bestraft und dem allgemeinen Getratsche ausgesetzt sein. Jesus, was würde auf den Höfen geredet werden! Die Schande würde schlimmer sein, als eingesperrt zu werden. Die Schande für die Kinder und die Verwandten und den Hof. Sie würde nie wieder im Laden einkaufen, nie wieder zur Arbeit gehen können. Wer würde sich schon von einer Verbrecherin pflegen lassen wollen? Den Demenzpatienten wäre es egal, wer ihre Windeln wechselte, aber die Angehörigen würden Anstoß nehmen und verlangen, daß sie die Station verließ. Es würde hinter ihrem Rücken geredet werden, aber mit ihr direkt würde man nicht mehr sprechen. Nie mehr Auge in Auge mit einem anständigen Menschen sein. Der Abgrund gähnte erschreckend tief.
    »Hat er ’ne Flunder gefangen? Antwortest du mir noch heute oder nich?«
    Wilhelm! Hatte er Fische gefangen? Mona konnte vor ihrem inneren Auge sehen, wie er die Zinkwanne zur Strandhütte trug. Sie hatte ausgesehen, als wäre sie schwer gewesen. Wenn sie leer gewesen wäre, hätte er sie an einem Griff hinter sich hergetragen. Mein Gott, die Wanne stand sicher noch im Strandhäuschen, mit dem Fisch drin! Wenn auf der Fußmatte Blutspuren waren! Oder wenn jemand den Schürhaken fand, den sie unter dem Sattel des Fahrrads versteckt hatte. Er hatte sie gebeten, ihn ins Wasser zu werfen. Vielleicht hätte sie tun sollen, was er sagte, aber sie hatte sich nicht getraut, allein auf den Steg zu gehen. Sie wollte ihr Spiegelbild in dem schwarzen Wasser nicht sehen. Das hatte mit dem Traum zu tun. Sie wollte nicht ihr Gesicht durch die Wasseroberfläche sehen, von der anderen Seite her, wo Wilhelm war. Die Feriengäste würden mit der Fähre vom Festland kommen! Wenn auf dem Fußboden im Strandhäuschen Blut war, dann mußte sie es jetzt wegschrubben, ehe es eintrocknete.
    »Hörst du mich, oder bist du stocktaub? Wo bist du, Mona?« Anselm drehte den Kopf mit den blinden Augen und fuhr mit der Zunge über die Zähne, so daß die Oberlippe sich ausbeulte.
    »Hier, Vater. Sieht aus, als würde es Regen geben. Ich werde die Wäsche heute abend wohl reinnehmen müssen.«
    »Du kriegst mich niemals allein in den Rollstuhl. Du mußt Wilhelm holen.«
    »Es wird schon gehen, Vater.« Sie hörte selbst, wie verwegen das klang.
    »Brich dir nur nich das Kreuz.«
    Sie stellte sich breitbeinig hin, ging in die Knie und legte die Arme um seinen runden Bauch. »Halt dich mit den Händen am Rollstuhl fest. So! Jetzt hoch. Nein, nein, das geht nicht. Du mußt dich wieder auf den Boden setzen.«
    »Sach ich doch. Du mußt Wilhelm holen!«
    »Er schläft.«
    »Dann weck ihn!«
    »Nein, das geht nicht.« Sie konnte nicht verhindern, daß ihr ein hysterisches Kichern entwich.
    »Das ist das Dümmste, was ich je gehört hab. Wilhelm! Wilhelm! Er muß sich aufraffen.«
    »Nein, hör auf! Vater, hör auf!« Das Weinen steckte ihr in der Kehle. Anselm bemerkte die Veränderung und sah sie mit seinen vernebelten Augen forschend an.
    »Was is los?«
    »Er muß morgen früh mit dem Boot raus. Er braucht seinen Schlaf.«
    »Und ich soll hier aufm Boden liegen. Na, danke!« Sie wischte seine braunen Finger mit einem Lappen ab und trocknete sie dann mit dem Handtuch. Die Nägel mit ihren Trauerrändern sahen schlimm aus, aber das mußte warten.
    »Es wird wohl nicht anders gehen. Ich lege die Matratze hier auf den Boden, dann kannst du dich darauf legen, und ich stecke die Decke um dich fest. Das wird gut, wirst schon sehen, Vater.«
    »Im Leben nich!« Er packte sie mit seinen kotverschmierten Nägeln fest am Unterarm. Die Augen wurden zu schmalen Schlitzen.
    »Gute Nacht«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Komm zurück, Mona!« befahl er. Sie versteifte sich, spannte

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