Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
Ich meine, von mir. Ich habe doch
nichts getan.«
»Genau das möchten wir gern feststellen. Also. Morgen auf unserer
Dienststelle.«
»Morgen ist aber Sonnabend.« Es war ein letzter schwacher Protest.
»Die Polizei ist rund um die Uhr im Einsatz«, erwiderte Christoph.
»Gut. Ich komme.« Sie vereinbarten noch eine Uhrzeit.
Große Jäger telefonierte immer noch. »Das mag ja ein Ferngespräch
sein«, versuchte Christoph auf ihn einzuwirken. »Warum nimmst du dann der
Einfachheit halber nicht das Telefon? Mach wenigstens das Fenster auf.
Vielleicht versteht dich dein Gesprächspartner dann besser, und du musst nicht
so schreien.«
»Ich habe bei der Polizeiinspektion Rockenhausen Erkundigungen über
Dr. Aufgänger eingezogen«, erklärte der Oberkommissar, nachdem er den Hörer
aufgelegt hatte.
»Rockenhausen?«, fragte Christoph.
»Das liegt im Donnersbergkreis in der Westpfalz. Die Polizei ist
auch für das nahe Winnweiler zuständig. Dort hat der Arzt gewohnt und
gearbeitet, bevor er nach Nordfriesland gezogen ist. Obwohl die Kollegen sich
recht kooperativ gezeigt haben, war es ein schwieriges Unterfangen«, erklärte
Große Jäger. Als Christoph auf diese Anmerkung nicht einging, fuhr der
Oberkommissar mit einem Grinsen fort: »Die sprechen einen Dialekt, den man auch
mit zwei gesunden Ohren kaum versteht. Der Kollege, mit dem ich telefoniert
habe, wohnt in Winnweiler. Gegen Aufgänger liegt nichts vor. Es hat nie eine
Anzeige oder gar Ermittlungen gegeben. Hinter vorgehaltener Hand wird aber
gemunkelt, dass sein Ruf als Frauenheld größer sein soll als der als Mediziner.
Er war wohl ein stadtbekannter Schürzenjäger und hat nichts anbrennen lassen.
Obwohl nie Klagen über ihn gekommen sind, soll er auch vor Verhältnissen mit
Patientinnen nicht zurückgeschreckt haben. Ob das nur böse Gerüchte waren von
Leuten, die ihm nicht wohlgesinnt waren, konnte der Kollege aus Rockenhausen
nicht sagen.«
Christoph war mittlerweile nicht mehr darüber erstaunt, welche
informellen Quellen der Oberkommissar anzuzapfen verstand und welche Auskünfte
er auf diesem Weg einholte. Wie gut, dachte Christoph, dass sich das
Bildtelefon noch nicht durchgesetzt hat. Dann würde sicher niemand dem
Kriminalbeamten mit dem gewöhnungsbedürftigen Äußeren Auskünfte erteilen. Er
sah auf die Uhr.
»Es ist schon spät geworden. Wir sollten aufbrechen.«
»Wird auch Zeit«, knurrte Große Jäger und strich sich über den
Bauch. »Ich sterbe vor Hunger.«
Christoph lächelte. »Bei deinem Leibesumfang muss sich der Tod aber
mächtig anstrengen, um bis ins Zentrum vorzudringen.«
Auf der Straße empfing sie die milde Luft eines herrlichen
Junitages. Schräg gegenüber vor dem Bahnhof standen ein paar Männer, die sich
diesen Platz als Treffpunkt erwählt hatten, um die überflüssige Zeit, von der
sie genug hatten, irgendwie totzuschlagen.
Direkt neben der Polizeidirektion ödete das schon seit Jahren
verlassene Gelände, über dessen Verwendung man seit Langem stritt, vor sich
hin. Gewerbe oder Wohnraum? Parkhaus oder Lebensmittelmarkt? Die Meinungen
gingen weit auseinander. Nur dass dieses Areal ein Schandfleck war – darin
bestand Übereinstimmung. Bis zu ihrem Ziel waren es nur wenige Schritte. Husums
ältestes Gasthaus, das Dragseth’s, lag neben dem frisch renovierten Thomas
Hotel und gegenüber den Stadtwerken. Unterwegs stieß Große Jäger Christoph an.
»Im Vergleich zum Ausgang der Einweihungsparty gestern Abend ist der
Zickenkrieg richtig fröhlich gewesen.« Er spielte damit auf die
Auseinandersetzung der beiden Geschäftsführerinnen der Stadtwerke an, die durch
die genervten Herren des Aufsichtsrates beendet wurde, indem man kurz
entschlossen beide Damen vor die Tür setzte. Ein Stück weiter lag das neue
Rathaus der Stadt. Dort residierte Ewald Kirchner als Bürgermeister, mit dem
Christoph am folgenden Tag einen Termin vereinbaren wollte.
Christoph warf einen schnellen Blick auf die Uhrensäule, die auf der
anderen Straßenseite auch das Datum und die aktuelle Temperatur anzeigte. »Das
gibt Ärger«, meinte er, bevor sie den Durchgang des Gasthofes durchquerten und
den Innenhof betraten. Das lauschige Plätzchen war ein Idyll und deshalb bei
gutem Wetter auch gut besucht. An einem Tisch unter dem Baum entdeckten sie die
anderen drei.
»Ihr seid reichlich spät«, empfing sie Anna, Christophs Partnerin,
und streckte ihm den Mund für einen Kuss entgegen. Ein kahlköpfiger Mann in
einer etwas zu
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