Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
uns
nicht nennen, dann begehen Sie eine Straftat.« Er wiegte den Kopf. »Das ist
schon ein schweres Leben als Schamanin.«
Hildegard Oehlerich stand auf. »Sie haben nichts verstanden«, sagte
sie in Große Jägers Richtung und fuhr, zu Christoph gewandt, fort: »Denken Sie
an meine Worte.« Dann verließ sie den Raum.
»Gegen unsere Squaw ist einmal wegen Betrugs ermittelt worden«,
sagte Große Jäger und zeigte auf seinen Bildschirm, um zu zeigen, dass er sich
über Hildegard Oehlerich informiert hatte und dass die Frau aktenkundig war.
»Das Verfahren ist aber unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs
eingestellt worden. Ein geprellter Kunde hatte sie angezeigt, weil die
versprochenen Leistungen ausgeblieben waren. Er wollte sein Geld zurück, das
Catori klugerweise auf dem Wege der Vorkasse eingesammelt hatte. Insgesamt
etwas mehr als viertausend Euro.«
Christoph pfiff leise durch die Zähne. »Ein lohnendes Geschäft mit
dem Jenseits.«
»Die Masche spielt sich wohl eher im Diesseits ab. Es ging in diesem
Fall um Energieübertragung über die Telefonleitung.«
»Das machen die Telefongesellschaften für eine günstige Flatrate im
Monat«, warf Christoph ein.
»Ignorant«, sagte der Oberkommissar mit vorgespieltem Ton der
Maßregelung. »Das hat natürlich nicht geklappt, und der Kunde fühlte sich
geneppt.«
»Und? Was hat der BGH dazu gesagt?«
»Da sitzen ja nicht die dümmsten Menschen«, erklärte Große Jäger.
»Das Gericht hat mit Hilfe von Gutachtern entschieden, dass es unmöglich ist,
in die Zukunft zu sehen oder irgendeinen anderen Firlefanz zu verrichten. Man
könne auch nicht Kontakt zum Jenseits aufnehmen oder mittels Kaffeesatz oder
Tarotkarten in die Zukunft blicken. Das ist rational nicht möglich. Der Kunde
jedoch wisse sehr wohl um diese Tatsachen. Wenn er solche irrationalen
Leistungen dennoch in Anspruch nimmt, ist es seine eigene freie Entscheidung,
wenn er für eindeutig als unmöglich erkannte Leistungen Geld ausgibt.« Große
Jäger sah auf. »Laienhaft könnte man es so erklären, dass jemand, der impotent
ist und trotzdem zu einer Prostituierten geht, nicht deshalb sein Geld
zurückverlangen kann, weil er nicht zum Abschluss gelangt ist.«
Christoph lachte. »Das ist ein sehr hinkender Vergleich. Es ist aber
schon erstaunlich, wie leichtfertig manche Menschen mit ihrem Geld umgehen.
Niemand würde in einem Kaufhaus ein Paket mit unbekanntem Inhalt erwerben, das
tausend Euro kosten soll. Und bevor der Deutsche einen neuen Fernseher kauft,
liest er ein Dutzend Testberichte und jagt mehrere Wochen durch die
Elektronikmärkte auf der Suche nach dem Schnäppchen. Aber für den Draht ins
Übersinnliche oder den Blick in die Sterne löhnen manche Menschen viel Geld.«
»Ich möchte den Leuten ihren Glauben ja nicht absprechen. Aber weshalb
verlangt man von einem Spökenkieker nicht erst einmal einen Test? Er soll etwas
Konkretes voraussagen, was sich am nächsten Tag erweisen soll«, überlegte Große
Jäger. »Und überhaupt … Wie unwahr das ist, erkennt man am Verhalten der
Wahrsager. Wäre ich mit übersinnlichen Kräften ausgestattet, würde ich nur noch
Lotto spielen.« Der Oberkommissar stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung
aus. »Wie gut«, stöhnte er theatralisch, »dass ich noch nie mit einem
Kartendeuter gepokert habe. Wenn der mit seinen Wahrsagerfähigkeiten meine
Karten errät, wäre ich heute insolvent. Mensch! Das ist doch eine
Geschäftsidee. Man wird Hellseher und pokert.« Er legte seine Stirn in Falten
und versuchte, einen schwärmerischen Gesichtsausdruck anzunehmen. Das misslang
ihm sehr deutlich. »Noch besser: Als Hellseher würde ich Roulette spielen. Ich
würde innerhalb von Stunden jede Bank sprengen.«
Christoph lachte. »Leider fallen immer wieder Menschen auf so etwas
herein. Oder auf dubiose Gewinnversprechen. Dabei ist es doch ganz einfach.
Traue keinem Fremden. Niemand hat etwas zu verschenken. Nun möchte ich aber
gern wissen, wie Frau Oehlerich von dem Mord erfahren hat. Ich glaube nicht an
Übersinnliches, habe dafür aber eine Idee.«
Christoph griff zum Telefon und wählte die Nummer Bertram Bunges. Es
dauerte eine Weile, bis sich Schwester Heikes Witwer meldete. Seine Stimme
klang belegt. Das war nicht Trauer, sondern eine Schwere, die ihre Ursache im
Alkohol hatte.
»Haben Sie mit Frau Oehlerich gesprochen?«, fragte Christoph,
nachdem er zwei Mal hatte erklären müssen, wer anrief.
»Oehlerich? Oehlerich? Ich
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