Tod im Koog - Hinterm-Deich-Krimi
Dingen nie.«
»Guter Mann. Wissen Sie, mit wem Sie sprechen?«
»Mit jemandem, der ebenso zum Kreis der Verdächtigen wie der Zeugen
gehört«, antwortete Christoph ungerührt.
Er vermeinte, de Frontier schlucken zu hören. »Gut. Dann fragen Sie.
Machen Sie es aber kurz. Ich bin zum Essen verabredet und würde die Dame nur
ungern warten lassen.«
»Sie könnten der Dame absagen, weil wir Sie noch heute Abend nach
Husum vorladen. Bei Mord ist jede Stunde wertvoll.«
»Also schön. Ich bin auf meinem Boot. Kommen Sie morgen früh um zehn
Uhr nach Kappeln. Mein Schiff ist die ›Karin II ‹.
Es liegt im Yachthafen Kappeln. Ich hoffe, es dauert nicht zu lange. Ich bin
ein schwer arbeitender Mann mit wenig Freizeit. Und die möchte ich nur ungern
mit der Staatsgewalt teilen. Es reicht hin, wenn ich mein mühsam erarbeitetes
Geld mit Ihnen teilen muss«, klagte de Frontier. Er gab Christoph keine
Gelegenheit einer Erwiderung, weil er das Gespräch beendet hatte.
Große Jäger hatte nicht mitgehört, konnte sich aber aus Christophs
Worten den Inhalt zusammenreimen. Mit dem Mund formte der Oberkommissar lautlos
jenes Schimpfwort, das einen Körperteil bezeichnete, für den medizinisch der
Proktologe zuständig ist. »Wenn das nicht so traurig wär«, sagte er laut, »dann
müsste man über die Beteiligten fast lachen. Heute Nachmittag tauchte eine alte
Kräuterfee bei uns auf und wollte uns etwas von Weissagungen verkaufen.«
»Kräuterfee?«, fragte Anna.
Christoph winkte ab. »Eine Frau, die vorgab, Schamanin zu sein. Sie
meinte, Kontakt zu unserem Opfer gehabt zu haben. Welcher Art dieser war,
müssen wir noch eruieren.«
»Eine tolle Frau«, schmunzelte der Oberkommissar. »Winnetous Weib.
Und dann hat sie dieses Dingsbums geschickt. Reiki. Einfach so – durch die
Luft.« Große Jäger ließ seinen ausgestreckten Arm einmal über den Kopf
schweben.
»Weißt du, was Reiki ist?«, fragte Anna ernst.
Der Oberkommissar trank den nächsten großen Schluck und setzte mit
einem lauten »Ahhh« das Glas ab. »Ja«, sagte er dann und schob nach, als ihn
alle anstarrten: »Tühnkram.«
»Kannst du es uns erklären?«, bat Christoph, der den Unterton in
Annas Frage vernommen hatte.
»Ich bin kein Experte«, erwiderte Anna. »Aber ich will es versuchen,
wenn auch unvollkommen und lückenhaft. Wir haben manchmal Patienten, die nach
Reiki fragen.«
»Und? Verschreibt dein Doc das? Gibt’s das nur für Privatpatienten
oder auch für die Holzklasse?«, lästerte Große Jäger.
»Es ist erstaunlich, dass diese Szene größer ist, als man gemeinhin
annimmt«, erklärte Anna. »Du musst dich nur einmal umsehen. Da wimmelt es von
Geisterheilern, Sehern, Schamanen und was weiß ich. Aber zurück zu Reiki. Das
ist noch relativ jung und stammt aus Japan, wo es Anfang des letzten
Jahrhunderts entwickelt wurde.«
»Was heißt das – Reiki?«, fragte Christoph dazwischen.
»Das ist japanisch und heißt ›Volksverdummung‹«, rief Große Jäger.
Anna winkte ab. »Das heißt etwa ›Geist‹ oder ›Seele‹ und
›Lebensenergie‹. Dabei wird durch Handauflegung kinetische Energie übertragen.
Es soll das allgemeine Wohlbefinden steigern und im Krankheitsfall die
Selbstheilungskräfte aktivieren.«
»Wenn man es nicht Reiki nennt, könnte ich es nachvollziehen«, gab
Christoph zu bedenken. »Sicher ist es für das kranke Kind oder den Sterbenden
eine Wohltat, wenn ihm die Hand gehalten wird. Und zwei Liebende halten sich
auch an den Händen. Nun bin ich kein Mediziner, ich meine aber, dass der Körper
dabei Hormone ausschüttet, die der Laie Glückshormone nennt.« Er sah Anna an.
»Jeder hat sicher schon erlebt, wie sich der Pulsschlag beschleunigt, wenn man
sich küsst.«
»So würde ich das auch sehen«, stimmte Anna zu. »Es gab zahlreiche
Studien dazu, ob Reiki Auswirkungen im Hinblick auf die Heilung von Krankheiten
hat. In keiner konnte das nachgewiesen werden. Und wo die Urheber glaubten, den
Nachweis erbracht zu haben, zeigten sich entweder methodische Schwächen, oder es
durfte an der Seriosität gezweifelt werden.«
»Inwiefern?«, warf Karlchen ein.
»Es muss dem Placeboeffekt gutgeschrieben werden. Die Leute glauben
ganz einfach an die Wirkung der Reiki-Behandlung. Man darf also getrost
behaupten, dass Reiki nichts nützt, aber auch nicht schadet, wenn nicht
suggeriert wird, dass ernsthafte Erkrankungen statt mit einer fundierten
medizinischen Behandlung durch Reiki geheilt werden können.«
»Das
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