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Tod im Moseltal

Tod im Moseltal

Titel: Tod im Moseltal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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hörbar aus. »Jetzt sieht das anders aus. Vielleicht hoffte er ja, die Tote könne eine Zeit lang unentdeckt bleiben. Dann ist er womöglich noch nicht ganz abgetaucht.« Er überlegte kurz. »Aber jetzt wird er ahnen, dass die Polizei hinter ihm her ist.
    Morgen früh müssen wir die Hotels abklappern, ob ein Gast überraschend früher abgereist ist.«
    Sie schwiegen eine Weile. Schließlich sagte Gerhardts: »Ich denke nicht, dass er ganz abhaut. Er war kurz vor dem Ziel und sieht jetzt alles in Gefahr. Ich glaube nicht, dass er aufgeben wird.«
    »Ich auch nicht. Wir müssen die Steyns warnen.«

23
    Luxemburg – Trier; Sonntag, 14. November
    Die letzten zweieinhalb Tage hatte er wie ein Computer erlebt, der sich gerade aufgehängt hatte: Er war physisch da, es arbeitete fortlaufend ihn ihm, aber in seinem Kopf liefen lauter Endlosschleifen, die sich nicht mehr fangen ließen. Dabei hatte er sich von dem Konzertbesuch die so notwendige Beruhigung versprochen, die Cellokonzerte in ihm von Kindeszeiten an ausgelöst hatten. Die Erkenntnis, dass Marie Steyn ihn kannte, hatte ihn bis ins Mark getroffen.
    Er hatte sich in den Mietwagen gesetzt und war einfach gefahren, drei Stunden irgendwie Richtung Westen. Bis er zu müde war und auf einem Parkplatz im Auto eingeschlafen war.
    Auch am nächsten Tag hatte er keine Erklärung dafür gefunden, warum plötzlich alles aus dem Ruder gelaufen war. Hatte nach Gründen, nach Fehlern gesucht und sich doch nur im Kreis gedreht. Wenn diese raffgierige Nutte das getan hätte, was er ihr gesagt hatte, wäre alles noch in Ordnung. Er konnte nur hoffen, dass er sie auf die Schnelle gut genug versteckt hatte. Er musste Zeit gewinnen. Aber was nutzte Zeit? Irgendwann würde man sie finden. Dann würde die Polizei die Ähnlichkeit erkennen, würde dem Schwein glauben. Alles wäre umsonst gewesen. Alles.
    Abends quartierte er sich in einem großen Hotel nahe der luxemburgischen Grenze ein. Er schlief wieder nur kurz und unruhig. Bei dem verdutzten Nachtportier checkte er aus und fuhr Richtung Luxemburg. Wenn er untertauchen wollte, brauchte er alle möglichen Sachen. Wenn sie hinter ihm her waren, musste er Beweise beseitigen. Als Allererstes das Notebook vom Schwein, es musste weg.
    Als er seine Wohnung betrat, spürte er, dass er jeglichen Bezug zu ihr verloren hatte. Dennoch bewegte er sich sicher durch die dunklen Räume. Er schlich wie früher, wenn sie ihn nicht sehen durften. Auch diesmal durften sie ihn nicht sehen, nicht finden. Die Jalousien zur Straße hin waren alle bis auf die letzten zwanzig Zentimeter nach unten gelassen. Nur durch die Zwischenräume und aus dem Badezimmer drang ein helldunkler Schein in den Flur. Es reichte, um in das nach hinten liegende Schlafzimmer zu gelangen. Hier hatte er die Jalousie nur halb geschlossen, sah aber mangels Straßenlaternen auch nicht mehr. Wahllos griff er Hemden, Pullover und Hosen, Unterwäsche und Strümpfe aus seinem riesigen Kleiderschrank und stopfte sie in einen Koffer.
    Er hatte sich wieder aufgerichtet, um zu überlegen, was noch fehlte, als es an der Tür klingelte: einmal, zweimal, dreimal. Dann war wieder Ruhe.
    Es dauerte einige Sekunden, bis sich die Schockstarre gelöst hatte. Er schlich zum Wohnzimmerfenster und sah noch soeben einen Polizisten in Uniform über die Straße in Richtung eines Streifenwagens gehen. Gerade wollte er aufatmen, als ihm in den Sinn kam, dass Polizisten nie allein unterwegs waren. War einer zurückgeblieben?
    Er wartete eine Viertelstunde, erahnte in der Zeit leise Geräusche vor seiner Wohnungstür. Dann sah er den Streifenwagen ein zweites Mal vorfahren und einen Mann in Zivil einsteigen. Sie waren ihm auf der Spur. Es gab keinen Zweifel mehr. Er musste verschwinden, verschwinden oder zurückkommen oder beides.
    »War nichts, Henri?« Der luxemburgische Polizist am Steuer des Streifenwagens sah fragend zu Ducard herüber.
    »Es hat keiner die Wohnung verlassen. Und doch habe ich das Gefühl, dass da einer drin ist. Vielleicht hat er die Finte durchschaut und ist einfach ruhig geblieben. Du hast von deiner Position auch nichts bemerkt?«
    »Nein, nichts. Sollen wir reingehen?«
    Ducard betrachtete den jungen Kollegen von der Seite und erkannte in dessen Augen die gleiche Abenteuerlust, wie sie ihn in jungen Jahren selbst erfüllt hatte. Dann aber schüttelte er den Kopf. »Nein, das können wir nicht. Wenn das rauskommt, machen die uns die Hölle heiß. Wir haben noch nichts Handfestes

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