Tod im Moseltal
anbieten? Ich habe ihn extra für Sie gekocht.«
Mehr aus Freundlichkeit stimmten die Beamten dem Angebot zu. Nur Buhle lehnte mit Verweis auf einen empfindlichen Magen ab, was Madame Joubert mit einem Gesichtsausdruck größter Anteilnahme bedauerte.
»Dürften wir jetzt bitte auf Ihre Aufzeichnungen zurückkommen.«
»Natürlich.« Madame Joubert wandte sich nach hinten und nahm von dem Sideboard aus massiver Eiche ein Notebook, das vorher von der neuesten Ausgabe von LetzTalk verdeckt gewesen war. »Wie ich Ihrem Kollegen«, sie schaute zu dem zweiten luxemburgischen Polizisten in dieser Runde, »bereits mitteilte, war mir vor etwa neun Monaten aufgefallen, dass diese Dame im Haus gegenüber zahlreiche Männerbesuche erhielt. Da diese, wenn überhaupt, nur wenige Stunden unter dem Dach der Bäckerei verbrachten, vermutete ich, dass es sich bei der Frau um ein sogenanntes leichtes Mädchen handeln könnte.«
»Sie meinen, eine Prostituierte?«
Madame Joubert quittierte den Einwand Ducards mit sichtbarem Ekel. »Ja, wenn Sie sie so nennen wollen. Ich beobachtete dieses Geschehen also weiter. Nach nur einer Woche war ich mir sicher, dass meine Annahme stimmen musste. Sie können meine Empörung darüber sicher nachvollziehen. Eine solche Frau in der direkten Nachbarschaft kann man doch nicht akzeptieren. Da …«, sie rang sichtlich nach dem geeigneten Wort, ergab sich dann aber doch der offiziellen Bezeichnung, »Prostitution bei uns ja verboten ist, habe ich begonnen, Beweise zu sammeln, um dieser Frau das Handwerk zu legen.«
Buhle hielt sich bei der Vernehmung natürlich zurück, empfand aber bislang auch keinen Grund, sich einzubringen. Sein luxemburgischer Kollege machte das sehr geschickt. Überrascht beobachtete er Pauline Joubert, wie sie routiniert den Computer hochfuhr und den Polizisten eine erstaunliche Tabelle präsentierte. In achtundfünfzig Zeilen waren Angaben zu Männerbesuchen bei Isabelle Girardot gemacht worden: Datum und Uhrzeit der Beobachtung, Dauer des Aufenthaltes, Autokennzeichen, Autotyp, Kennzeichen der Person. Kamen Männer häufiger als zweimal, hatte Pauline Joubert den Spalten Farben zur Unterscheidung zugeordnet. So ergab sich eine übersichtliche Dokumentation von Girardots nebenberuflichen Aktivitäten. Die Beamten waren beeindruckt.
»Madame Joubert, wie haben Sie denn die Angaben gesammelt?« Ducard bemühte sich, seine moralischen Zweifel am Tun der Zeugin zu kaschieren und ihre Auskunftsfreude durch eine Mischung aus Überraschung und Anerkennung weiter zu fördern.
»Dort, vom Wohnzimmer aus, kann ich die Straße recht gut einsehen.« Sie deutete mit ihrem kurzen Zeigefinger auf das zur Straße gehende Fenster. »Ich habe mir davor einen Arbeitsplatz für mein Notebook eingerichtet, sodass ich nebenbei die Straße und den Eingang zum Hof der Bäckerei im Auge behalten kann. Die Autos, die hierher gehören, kenne ich. Also habe ich ziemlich sicher die fremden Autos, die zu diesen Herrenbesuchen passten, bei meinen Spaziergängen identifizieren können. War ich unsicher oder wurde weiter weg geparkt, was allerdings nur sehr selten geschah, weil die Herren es sehr eilig hatten … na ja, Sie wissen ja. Also wenn ich mir unsicher war, bin ich den Herren nachgegangen.«
»Aha, hier ist eine Zeile ohne Auto. Ein Herr …«
»… Joseph Picard. Er wohnte drei Straßen weiter und kam zu Fuß.«
»Er wohnte dort?«
»Seine Frau hat das einzig Richtige getan, als sie es erfuhr.«
»Aha.« Ducard bemühte sich weiter um Freundlichkeit. Nach nicht einmal einer Minute sah er mit bedeutungsschwangerem Blick zu seinen Kollegen.
»Hast du etwas gefunden?«, fragte Buhle.
»Ja, das Kennzeichen eines BMWs. Es kommt mir bekannt vor. Ich schau mal nach.« Er holte sein Smartphone aus der Jackentasche. »Madame Joubert, darf ich ein paar Ihrer Aufzeichnungen mit unseren Daten vergleichen?«
»Sicher. Ich habe das ja schließlich für die Polizei gemacht.«
Kurz darauf nickte Ducard mit zufriedenem Blick Buhle und Gerhardts zu. Er scrollte weiter in der Tabelle von Pauline Joubert, die ihn die ganze Zeit distanziert-interessiert beobachtet hatte.
»Hier finden sich gleiche Farbhinterlegungen, obwohl die Autokennzeichen unterschiedlich sind.«
»Die Herren kommen teilweise mit verschiedenen Autos. Ich nehme an, es sind Geschäftsleute, Vertreter oder Ähnliches, die mit unterschiedlichen Autos unterwegs sind. Ich meine, es handelte sich dabei um immerhin sechs Personen. Die …
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